Unterwasseraufnahme mit mehreren unscharfen Seelöwen in blau-grünem Wasser

Gestern haben wir praktisch nur gewohnt. Unsere Vintage-Wohnung mit Blick auf die Strandpromenade – die hier Malécon, also „Pier“, heißt – zwingt uns quasi dazu. HerrBert baldowerte aus, wie man die Fensterfront nach dem Harmonikaprinzip auffalten kann, so dass wir in der Wohnküche und gleichzeitig praktisch auf dem Balkon sitzen und die Bevölkerung beobachten können.

Kaum saßen wir, zog ein Demonstrationszug unter unserem Balkon vorbei. Von der Strandpromenade in Richtung Innenstadt bewegte sich ein lockerer, aber sehr langer Menschenzug, wobei auffallend viele Menschen, die meisten mittleren Alters, weiße Hemden und helle Strohhüte trugen. Einige skandierten Parolen, andere hielten Schilder hoch. „Wir brauchen keine weiteren Helden, wir brauchen Sicherheit“. „Jeden Tag kehren 40 Menschen nicht in ihr Zuhause zurück“, hieß es auf einem Schild, „keine Gewalt, keine Korruption“ auf einem anderen.

Es handelt sich um sogenannte „Generation Z“-Demonstrationen, zu denen am Samstag in ganz Mexiko aufgerufen worden war. Aktueller Anlass war die Ermordung des Bürgermeisters einer Stadt im Bundesstaat Mochoacàn, Carlos Manzo. Daher auch die vielen weißen Hemden und Strohhüte: Sie waren das Erkennungszeichen von Manzo. Dieser hatte sich gegen die von den Kartellen ausgehende, enorm hohe Gewalt in Mexiko eingesetzt und ist vor zwei Wochen, am 1. November 2025, von einem 17jährigen mit mutmaßlichen Verbindungen zu den Drogenkartellen erschossen worden. Die Demonstrationen richten sich gegen den Umgang der mexikanischen Regierung mit Gewalt und Korruption. In Mexiko-Stadt, das erfuhren wir später, verliefen die Proteste weniger friedlich als in La Paz, es kam zu Ausschreitungen, bei denen 120 Menschen verletzt wurden. Doch davon wussten wir am Samstagnachmittag noch nichts. Als Touristen leben wir mit einer sehr eingeschränkten Wahrnehmung und übersehen nur zu leicht die Realität. Darüber werden wir hier demnächst nochmal gesondert schreiben.

Am Nachmittag, als die Hitze etwas nachließ, zogen wir los, einen ersten Blick auf La Paz zu werfen. Die Stadt ist mit 300 000 Menschen eher klein. Im Zentrum der Altstadt steht die große, kastige Catedral Nuestra Señora de la Paz. Darum herum finden sich kleine Geschäfte für alltägliche Bedarf, vieles wirkt eher provisorisch. Nicht weit von der Kirche steht die zweite Sehenswürdigkeit, das Kunstmuseum, das für eine Lampeninstallation hinter dem Gebäude berühmt ist. Klare Lebensader von La Paz ist aber die Strandpromenade. Alle paar Meter steht eine Skulptur mit Fischen, Fischer, eine große Muschel. Die Stimmung ist entspannt und eher zurückhaltend, man flaniert, isst, bewundert den Sonnenuntergang – nur wenn man ein Auto hat, dann macht man Lärm.

Sonnenuntergang über dem Meer mit mehreren hohen Palmen
Der Sonnenuntergang in La Paz ist leicht zu bewundern

Genauer gesagt: Wenn man ein Auto hat, fährt man hier zumindest am Samstagabend die Promenade rauf und runter und lässt seine Lieblingsmusik dröhnen. Ein älteres Ehepaar beschallte die Umgebung derart nachdrücklich mit Ufz-Ufz-Musik aus den blau beleuchteten Monster-Subwoofern in ihrer offenen Heckklappe, dass jedesmal, wenn sie vorbeifuhren, von den Schallwellen schier unsere Servietten vom Tisch geblasen wurden. Wir gönnten uns nämlich ein paar Tacos und die eine oder andere Margerita. Dann gingen wir wieder wohnen.

Zwei Gläser mit Margeritas mit Salz, Eis und Strohhalmen auf Holztisch, daneben ein Kaktus in Holzkiste, im Hintergrund Palmen und Sonnenuntergang am Meer
Margeritas gehen immer

Heute, am Sonntag, stand für HerrBert dann ein sehnlich erwarteter Ausflug an: Mit dem Boot besuchten wir die Isla Espiritu Santo, die naturgeschützte Insel des Heiligen Geistes. Unterwegs waren mehrfache Stopps zum Schnorcheln angekündigt. Schon am Treffpunkt fragte HerrBert zum Erstaunen der Reiserin den Veranstalter, ob er seinen roten Besenstiel im Büro ablegen darf. Davor hatte der umtriebige Unternehmer wasserdichte Handyhüllen in den schönsten Neonfarben angeboten – und wir griffen zu. Ruckzuck sah HerrBert darum zumindest vorübergehend von seinem selbstgebastelten Selfiestick in Kombination mit der Unterwasserkamera ab, und beschloss, seine Seehundporträts mit dem Handy zu fotografieren.

Das Ausflugsboot erwies sich dann als eine Art Autobus des Meeres. In zwei eng gepackten Reihen saßen wir uns mit einem guten Dutzend mexikanischen und asiatischen Touristen gegenüber. An insgesamt vier Stellen hielten wir an, und je nach Ansage des jungen Guides sprangen HerrBert und die anderen Schnorchler mit oder ohne Schwimmweste ins Wasser, um unterhalb des Wasserspiegels Seelöwen und alle möglichen Fische und Korallen zu bewundern.

Vier Personen sitzen nebeneinander auf einer Bank, tragen orangefarbene Schwimmwesten und haben unterschiedliche Schuhe oder Flipflops an oder aus, darunter pinke Flipflops und graue Hausschuhe. Man sieht nur die Beine und Oberkörper der Personen und den türkisfarbenen Boden
Im Autobus des Meeres

Der erste Stopp, San Rafaelito, erwies sich als eine kleine Steinansammlung im Wasser, wo Dutzende Seelöwen herumlungerten, zwischen den Schnorchelnden ins Wasser plumpsten oder vor ihnen herschwammen – und manchmal ohne Ankündigung in die Luft sprangen. Allgemeines Entzücken.

Der zweite Stopp fand in der Nähe eines Strandes namens El Corralito statt. Hier hatte HerrBert den Trick mit der Unterwasserkamera raus: Nicht ständig daran herumdaddeln, während er schon im Wasser ist und so gut wie nichts sehen kann, sondern schon mit laufender Kamera abtauchen.

Auf dem Meeresgrund gibt es hier viele Korallen

Was angenehm auffiel: Sehr nachdrücklich wurde darauf geachtet, dass Distanz zu Flora und Fauna gehalten und auch sonst so wenig Schaden wie möglich angerichtet wird – sofern das mit einem motorisierten Boot halt möglich ist. Nichts anfassen, nichts mitgehen lassen – auch nicht Steine oder Muscheln – , nicht von den wenigen Strandpassagen abweichen, die Touristen betreten dürfen.

Zur Mittagspause auf Espiritu Santo bauten der Kapitän und der Guide flugs ein kleines Buffet auf und offerierten Tostadas mit selbstgemachter Ceviche – roher Fisch, der mit Limettensaft und Gewürzen eine Art Garprozess durchläuft und zusammen mit Koriander, Gurke und Möhrchen traumhaft frisch und köstlich schmeckte. Selbst schuld, wer stattdessen einen Toast mit Käse und Schinken wählte, der ebenfalls angeboten wurde.

Hinterher planschte auch die Reiserin, ansonsten keine große Wasserratte, im warmen, hier nur knietiefen Ozean und war glücklich wie ein Baby in der Badewanne. Noch ein Stopp an der berühmten Playa Balandra, die so heißt, weil einer der Felsen wie ein Wal geformt ist, aber jetzt wurde von allen nur noch müde fürs Bikiniselfie posiert, Seeluft erschöpft. Kurz bevor die Sonne unterging, waren wir wieder zurück. Jetzt wird noch ein bisschen gewohnt und HerrBert verbringt den Rest des Abends damit, die gluckernden Filme seiner Unterwasserkamera zu sichten.

Viele Grüße zum Montag aus La Paz!

Song des Tages: Underwater Love von Smoke City

Genauso schön wie in diesem Stück von 2002 blubbert es in HerrBerts Unterwasservideos

Was bisher geschah: hier