Zwei Fahrräder stehen an einem Laternenpfahl vor einem Geschäft in Palm Springs. Im Hintergrund sind Palmen und ein Auto sichtbar. Der Himmel ist klar und hellblau, die Fährrader sind von hinten zu sehen

Eintrag zu Donnerstag, 2. Januar 2025 – geschrieben am 3. Januar

Palm Springs, 19 Grad °C



Palm Springs ist eine umwerfende Stadt! Als wir uns gestern am späten Vormittag auf den Weg zum Fahrradverleih machen, um radelnd die Stadt zu erkunden, strahlt die Sonne schon und es sind frühlingshafte 20 Grad. HerrBert war schon früh im Pool eine kleine Runde schwimmen und wir starteten frisch und fröhlich in den schönen Tag.

Im zauberhaft in Regenborgenfarben dekorierten Fahrradverleih liehen wir uns zwei Fahrräder für jeweils einen halben Tag. Besorgt fragte der zuvorkommende Angestellte, ob wir mit den Farben der vorgeschlagenen Exemplare – silbergrau für HerrBert und rosa für Frau Reiserin – einverstanden seien. Aber ja! Die wie neu aussehenden, tiptop gepflegten Räder im Retro-Style kosteten für je vier Stunden zusammen 50 Dollar. Nach der üblichen Einweisung – fast überall darf man Rad fahren, aber Vorsicht vor den Stacheln des Burzeldorns, auf Amerikanisch: Goat’s Head, die jeden Reifen zerstechen können. Das würde sofortige Rettungsmaßnahmen durch den Fahrradverleih erfordern, diese sind aber nur beim ersten Mal umsonst.

Vom Stadtzentrum machten wir uns auf den Weg zu den modernistischen Villen, für die Palm Springs berühmt ist. Die Stadt ist ein Mekka für Architekturfreaks, weil sie fast durchgängig im kühlen, eleganten Stil der klassischen Moderne gehalten ist. So gut wie die gesamte Prominenz der eleganten Jahre hatte hier ein Haus: Gary Grant, Frank Sinatra, Marilyn Monroe, Liberace. Die wollen wir alle sehen.

Nach wenigen Pedaltritten halten wir aber erstmal beim Palm Springs Love You-Sign an, und wenige Meter weiter wartet schon die godzillagroße Statue von Marilyn Monroe, die ebenfalls ein Wahrzeichen von Palm Springs ist. Sie zeigt sie in der berühmten Szene aus Billy Wilders „Das verflixte siebte Jahr“, wo die Schauspielerin über einem U-Bahn-Schacht steht und der Luftzug ihr Kleid aufplustert. Vor der Statue wartet eine lange Reihe von Touristen darauf, Fotos zu schießen. Manche Männer lassen sich so fotografieren, dass sie der Statue ungeniert unter den Rock gucken. Irgendwie strange. Wir erhaschen einen kurzen Moment des Personalwechsels für unser Foto.

Marilyn-Statue vor dem Personalwechsel

Dann geht’s aber los mit dem Radeln. Als erstes strampeln wir in das Villenviertel, wo am Ende einer steilen Seitenstraße die Villa steht, die Elvis Presleys Manager Colonel Parker mietete, um sie Elvis und Priscilla als Flitterwochenrefugium zu überlassen. Auch hier stehen die Touristen Schlange, um sich vor dem ufoförmigen Bau fotografieren zu lassen.

Grade stehen mal für zwei Sekunden keine Touristen vor dem Flitterwochenhaus von Elvis und Priscilla Presley.

Wenige Meter weiter befindet sich der Bungalow, in dem Marilyn Monroe residierte, ein paar Ecken weiter ist das Haus, in dem Liberace einst wohnte. Wir merken, dass wir schnell außer Atem kommen. Eigentlich liegt Palm Springs wie eine platte Flunder vor den San Jacinto Mountains und wir hatten uns daher für normale Fahrräder entschieden. Mussten bei unserer Tour aber dann feststellen, dass es kleine, aber laaaaangezogene Anhöhen gibt, welche uns ganz schön aus der Puste brachten.

Das Licht der Wüstensonne in Palm Springs ist so intensiv, dass die Umgebung bei blauem Himmel aussieht, als ob ein Technicolor-Filter darübergelegt ist (für die jüngeren Lesenden: der Fotofilter „strahlend warm“). Grellweiße oder pastellfarbene Mauern, sattgrüne Palmen, knallgrüne Rasenflächen, knallpinke Büsche, knallblauer Himmel. Dazu ist es abseits der beiden Hauptverkehrsadern sehr ruhig. Frau Reiserin verfällt sofort in einen meditativen Ruhezustand und strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Als dann auch noch einen Rennkuckuck – Amerikanisch: Roadrunner – vor uns herumspringt, fällt sie vor Glück fast vom Rad.

Und die Freude lässt sich noch steigern. Nur ein paar Ecken weiter gibt es nämlich einen „Denny‘s“. Die Fast Food-Kette ist für ihre ausgiebigen Frühstücke bekannt. Bei uns allerdings vor allem wegen dem überirdisch guten Mango-Smoothie, den es hier gibt, und den wir uns bei jeder sich bietenden Gelegenheit genehmigen.

Versonnen blättert HerrBert die Frühstückskarte durch. Lieber einen Frühstücksburrito mit Rührei und Rösti, ein T-Bone Steak mit Eiern oder Pancakes mit Speck und Würstchen? Frau Reiserin zögert etwas, weil diese gesamte Auswahl bei ihr eher nicht unter Frühstück läuft. Dann fällt ihr Blick auf die letzte Seite: Hier gibt es vergünstigte, etwas überschaubarere Portionen für Menschen ab 55+. „Ist doch super“, meint sie. „Du bestellst den kleinen Seniorenteller und ich den All-American Slam, und dann tauschen wir.“

Und so bestellt HerrBert sein erstes Seniorenfrühstück und Frau Reiserin bekommt es dann, obwohl sie noch nicht die notwendige Qualifikation dafür besitzt. Wir erwarten ein bisschen, dass die Kellnerin nach dem Ausweis fragt, aber sie glaubt uns unser Alter auch so. Wir sind uns nicht sicher, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Bevor wir zu einer Antwort kommen, werden die Mango-Smoothies gebracht, und dann ist sowieso alles andere egal.

Einmal Seniorenteller, bitte!

Anschließend radeln wir weiter durch die Stadt, schalten aber vom „Lass-uns-alle-Villen-auf-der-Karte-abklappern“-Modus auf den „Wir-lassen-uns-treiben“-Modus um. Wenn es irgendwo besonders schön ist, halten wir an, schauen in Galerien und Geschäfte und biegen immer wieder in die Nebenstraßen ab, wo wir uns an der unglaublichen Eleganz und dem architektonischen Wagemut der in vielen Fällen ikonischen und weltberühmt gewordenen Gebäuden begeistern. Neben der dominierenden Midcentury-Architektur gibt es auch einige mexikanische Einflüsse, die den Modernismus noch mehr akzentuieren.

Ruckzuck sind die vier Stunden um, und wir geben unsere Fahrräder wieder ab. Wir beschließen, noch ein bisschen zu Fuß weiter zu schlendern.

In einem kleinen Vintage-Laden entdeckt HerrBert ein kleines, hübsch gestaltetes Palm Springs-Schild. Die ebenfalls Vintage-elegante, ältere Dame, die hinter dem Verkaufstresen hervorkommt, um das Schild von der Wand zu nehmen, weist auf weitere, ähnliche Schilder. Sie erzählt, dass diese in Handarbeit von einer Frau aus Oregon hergestellt werden, und zwar in ihrer Garage, um das Haushaltseinkommen aufzubessern, da ihr Mann krank sei. „Und zwar kommt die Frau aus Boring, Oregon“, kichert die Vintage-Lady. „Ich konnte es zuerst nicht glauben, dann habe ich nachgeschaut, und es gibt diesen Ort tatsächlich“, erzählte sie. Die Schilder verkauft sie in Kommission, um die Frau aus Boring zu unterstützen.

Überhaupt nicht langweilig ist dieses Schild aus Boring/Oregon

HerrBert lässt der Dame aus Oregon Grüße bestellen und bittet, ihr auszurichten, dass eines der Schilder demnächst in Berlin, Germany hängen und den Besitzer erfreuen würde. „Oh, Berlin“, strahlt die Vintage-Lady. „Einer der Orte, wo ich schon war.“ Dann strömt eine große Gruppe asiatischer Touristinnen den Laden, und wir machen ihnen Platz.

Jetzt brauchen wir ein wenig Erholung und gönnen uns einen Cappuccino. Als wir gerade gemütlich draußen sitzen und auf die belebte Hauptstraße von Palm Springs, dem Palm Canyon Drive, schauen, beginnt ein schwarzweißer Polizei-Pickup mit lauten Lautsprecherdurchsagen die Straße auf- und ab zu fahren. Wir verstehen sie nicht, irgendwas mit 16.30 Uhr und „sofort abgeschleppt“. Als wir kurz darauf weiterschlendern, sehen wir, dass von den Nebenstraßen die Zufahrtsstraßen zum Stadtzentrum gesperrt werden. Am Rande des Bürgersteigs haben sich inzwischen eifrige Menschen mit Handwagen, großen Kisten und Zeltstangen eingefunden. Vielleicht ein Straßenfest?, vermutet Frau Reiserin. Richtig!, findet HerrBert heraus. Es ist Donnerstag, und das bedeutet in Palm Springs „VillageFest“. Dieses findet jede Woche am Donnerstag von 18 bis 22 Uhr statt und bringt die ganze Bevölkerung auf die Beine.

Um punkt 18 Uhr ist alles aufgebaut: Kunsthandwerk, Schnickschnack, Kleidung, Süßigkeiten, Schmuck, Vollkornbrot. An einer Ecke haben die „Vintage Boys“ Stellung bezogen. Die vier Herren im fortgeschrittenen Alter spielen eine Mischung aus Folk, Country und Blues. Wer sich dazustellt, wippt dezent mit, jedenfalls so lange, bis zwei junge Frauen mit sehr tiefen Dekolletees, ziemlich hohem Alkoholpegel und wohl nicht ausschließlich von der Natur geschaffenen Brüsten anfangen, wenig rhythmisch, aber ausgelassen zu tanzen und damit alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

An einem Teil des Festes mit vielen Essensständen, entscheiden wir, dass jetzt Zeit fürs Abendessen ist. An einem griechischen Stand bestellen wir europäisch mediterrane Spezereien, bekommen einen Pieper und suchen schon mal einen der spärlichen Sitzplätze. Auf einer Straßenbank an der Rückseite der Stände sehen wir zu, wie zwei flinke Köche unter anderem unser Essen zubereiten. Wir bewundern die Fingerfertigkeit und auch die ausgebuffte Gastro-Logistik mit kleinem Waschbecken, Gasflaschen, Fritteusen, Grills und großen Ölkanistern, die für diesen Anlass jeweils buchstäblich aus dem Boden gestampft wird. Die Köche lächeln uns in stillen Momenten immer mal zu und fragen uns, als wir dann unser Mahl verzehren, ob es schmeckt. Wir bejahen und HerrBert gibt den fleißigen Köchen im Überschwang gleich noch jedem 5 Dollar. Leben und leben lassen.

Song des Tages: Washing Machine Heart von Mitski

Den Song haben wir gestern in einem Store in Palm Springs gehört und er gefiel uns beiden auf Anhieb. Wer oder was ist Mitski? Wir wissen es nicht, werden aber mal nachforschen.

So, jetzt hat HerrBert gekocht und es gibt Essen. Die versprochene Wüsten-Playlist kommt morgen. Und dann erzählen wir vielleicht auch, warum wir heute schon