Eintrag zum 10. Januar 2025 – geschrieben am 12. Januar
Bakersfield, 12°C
Heute fahren wir in den Valley of Fire State Park. Aber vorher wollen wir noch das Café Berlin besuchen. Wir hatten es auf der Fahrt zum Hoover-Damm in der Nähe unseres Quartiers entdeckt. Es liegt etwas unscheinbar an der westlichen Sunset Road/Ecke Decatur Boulevard neben einer Tankstelle. Über dem Eingang hängt ein Paulaner-Wappen. Das jetzt hier Berliner Pilsner, Kindl oder gar Schultheiss ausgeschenkt wird, hätte auch HerrBert nicht erwartet. Als wir das karg möblierte Café betreten, empfängt uns eine asiatisch aussehende Kellnerin mit dem Hinweis, dass dies ein Restaurant sei und wir, wenn wir nur Kaffeetrinken wollten, doch bitteschön nebenan zur Tanke gehen sollten. Unseren Hinweis, dass wir aus Berlin kommen, nimmt sie erstaunt und mit Lächeln zur Kenntnis, schüttelt aber weiterhin den Kopf bezüglich des Kaffees und zeigt nochmal Richtung Tankstelle. Berliner Charme mit wenig Entgegenkommen haben sie hier schonmal. Ein weltweit geschätztes Exportgut, an dem wir in der Heimatstadt immer so hart arbeiten. In Kalifornien ist es scheinbar angekommen.

Wir werfen noch einen Blick in die Speisekarte und in den Raum. Dort hängen zwei Bilder, die definitiv nicht Berlin zeigen, sondern Köln mit seinem Dom und auf dem anderen eine für HerrBert nicht auzumachende Stadt. Außerdem eine stilisierte Deutschlandkarte. Eine zweite Uhr zeigt neben der hiesigen Zeit die Berliner Zeit. Das war es auch schon mit dem deutschen Ambiente. Anders die Speisekarte. Alle Speisen sind deutsch betitelt und die Auswahl reicht von „Nuernberger Rostbratwuerst’l“ über Frikadellen bis hin zum unguten Zigeunerschnitzel. Hier darf das böse Wort noch unbeschwert sein Unwesen treiben, sich auf die Speisekarte drängeln, im Gegensatz zu heimischen Gefilden, wo es ein Dasein am Rande des Wortfriedhofes fristet.
Bei unserem Abschied würde HerrBert am liebsten allen Besuchern und Gästen, und davon gibt es einige, ein Grußwort überbringen. Dass wir ihnen als Vertreter der deutschen Hauptstadt die besten Wünsche aller Berliner ausrichten, und dass wir ihnen auch weiterhin besten Genuss unserer heimischen Speisen wünschen. Bevor er sich aber an die Gäste wenden kann, drängt Frau Reiserin ihn hinaus und rüber zum Tankstellenshop, wo wir uns zwei große Kaffee holen.

Dann geht es los Richtung Valley of Fire State Park. Knappe anderthalb Stunden dauert die Fahrt. Der Park entschädigt uns mit seinen rotgefärbten Felsformationen für den langen Weg. Am Parkeingang zeigen wir stolz unsere frisch erworbene Nationalparkkarte vor, müssen aber erfahren, dass es einen Unterschied zwischen Nationalparks und State Parks gibt. Nationalparks sind dem US-Innenministerium unterstellt, die anderen werden von den einzelnen Bundesstaaten verwaltet. Daher gilt hier unsere frisch erworbene Nationalparkkarte nicht, und wir müssen 15 Dollar Eintritt bezahlen. Der Kassierer ist begeistert als er hört, dass wir aus Deutschland kommen und meint, er hätte einen Freund in München. Paulanerbande! Er verabschiedet uns stolz mit „Auf Wiedersehen!“ und der Weg in den Park ist frei.

Geradezu euphorisch klettert die Reiserin, normalerweise nicht die motivierteste aller Berggängerinnen, in Richtung „Elephant Rock“, der ersten mit einem kleinen Rundwanderweg zu erkundende Felsformation. Aus direkter Nähe wirkt der zerklüftete Stein noch tiefroter, der Himmel noch unnatürlich blauer. Die Sonne ist warm, aber nicht heiß. Der Weg ist steinig, aber nicht steil. Nach einer halben Stunde sind wir wieder am Startpunkt des kleinen Rundwanderwegs angekommen. Die Begeisterung der Reiserin hält auch noch an, als wir nach der Fahrt durch den Park den nördlichsten Punkt namens „White Rock“ erreichen – zusammen mit ungefähr zwanzig Chinesen, die für ein Foto alle gleichzeitig in die Luft springen. Hier führt ein kleiner Sandweg erst in eine Talsenke und dann durch enge, märchenhaft geschwungene Felswände wieder zurück. Diesmal alles in Hellrosa.




Bei Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder in unserem Tiki-Quartier in Las Vegas zurück. Frau Reiserin lässt sich wohlig ins Sofa plumpsen. Allerdings nicht lange, denn HerrBert informiert sie, dass wir „langsam los müssen, sonst wird es zu spät“, was sie empört wieder aufspringen lässt. Wir hatten nämlich noch nicht richtig abgesprochen, wie der Abend verlaufen soll.
HerrBert erwähnte bereits beim letzten Besuch der Fremont Street, dass er dort womöglich das angebotene „Zip Line Adventure“ mitmachen möchte: Unter dem Lichterdach, das die Straße überspannt, sind Stahlseile gespannt, an denen man sich angurten lassen und allein durch die Schwerkraft der leicht abschüssigen Konstruktion ans andere Ende zischen kann. Und zwar wahlweise in sitzender Position – oder bäuchlings liegend in Superman-Haltung. „Mal sehen, vielleicht mache ich das“, kündigte er damals an und kommt nun darauf zurück.
Eine halbe Stunde später stehen wir am Fuß des über zwanzig Meter hohen Startturms. Wir sehen, wie sich ganz oben eine Klappe öffnet und vier Gestalten wie Raketen herausschießen und laut kreischen. Bei HerrBert kommen Zweifel an seinem Vorhaben auf. Den Hinweis der Kassiererin, dass die Wartezeit eine Stunde beträgt, nimmt er zum Anlass, die Sache abzublasen. „Mit dem gesparten Geld gehen wir jetzt schön essen, und nachher verjuxen wir noch einen Hunni im Casino.“ Frau Reiserin atmet auf. Mitgezippt wäre sie sowieso nicht. Aber jetzt ist sie auch froh, dass HerrBert auf dem Boden bleibt.

Die Fremont Street ist heute am Freitagabend rappelvoll. Die Wochenendtouristen sind da. Menschen in unterschiedlichen, aber noch halbwegs moderaten Stadien der Alkoholisierung, drängen sich unter dem grell blinkenden Dach, überall schallt Musik, vibriert die Luft. Sin City eben. Klar, dass da noch was gehen wird. An manchen Ecken stehen aufgetuffte, leicht bekleidete Showgirls und Stripper, die sich gegen ein paar Dollarscheine mit Touristen fotografieren lassen.
Wir steuern in eines der leicht angegilbten Casinos und stolpern erstmal mit großen Augen über den grell gemusterten Teppichboden zwischen blinkenden Spielautomaten herum, um schließlich im integrierten Steakhouse auf Beobachtungsposten zu gehen. Das Essen verläuft amerikanisch-pragmatisch, aber der Blick auf das Geschehen im Casino ist spannend. Paare, die sich hier womöglich zum ersten Date treffen, vielleicht auch die eine oder andere auf sehr kurze Zeit gebuchte Begleitung, ältere Paare, die sich hübsch gemacht haben, junge, gackernde Frauengruppen, Männergruppen, die ihnen hinterherblicken. Alles beleuchtet von den grell strahlenden Daddelmaschinen. Die Tische für Blackjack und Roulette stehen in anderen Teilen des Casinos. Klar ist aber, dass hier mit bescheidenen Einsätzen gespielt wird.

Nach dem Essen geht’s los. Kichernd setzen wir uns an einen einarmigen Banditen und HerrBert füttert ihn mit dem ersten Dollarschein. „Um zu gucken, wie es funktioniert“. Aha, man muss auf „Play“ drücken, dann beginnen in drei Reihen die Zahlen zu wirbeln. Mit einem Tipper an den Arm des Banditen bringt man sie zum Anhalten, wobei sie eine möglichst einheitliche Reihe ergeben müssen. „Sind doch drei 7“ jubiliert die Reiserin etwas vorschnell. „Ja, schon“, sagt HerrBert. „Aber sie müssen auch dieselbe Farbe haben.“ Hm, also neuer Versuch. Er setzt einen Fünfer, tippt ein wenig – und das Guthaben springt von 3 auf 15 Dollar! Ein paar Mal daddeln wir uns noch warm, am Ende nehmen wir den Gewinn mit – einen 10 Dollar-Bon, den die Maschine ausspuckt. Damit haben wir unseren Einsatz mehr als rausbekommen.

Jetzt wagen wir uns zum Roulette. An einem der Tische, wo nicht allzulaut gekreischt wird, stellen wir uns dazu, um erstmal den Ablauf zu studieren. Nach wenige Minuten ist HerrBert im Bild und tauscht bei der jungen, sehr sachlichen asiatischen Croupière, deren Gesicht durch eine schwarze FFP2-Maske zur Hälfte verdeckt ist, unseren Einsatz in einen Haufen hellgrüner Chips. „Jeder 5 Dollar“, erfahren wir. Wir setzen ein paar Mal, gewinnen, verlieren und kommen gerade in Fahrt, als zwei junge Unsympathen an den Tisch kommen. Grob drängen sie sich zwischen den anderen Spielern durch, um ihre Chips zu setzen.
Wir gehen an einen anderen Tisch, aber hier gelten unsere Chips nicht. Das ist auch so beim nächsten Tisch. Wir stutzen und schauen uns unsere Chips an. Da steht ja gar keine Zahl drauf. Komisch. Als wir an unseren ersten Tisch zurückkommen, steht da eine andere Croupière, und auch sie sagt, dass die Chips hier nicht gelten. Wir hätten den Tisch nicht einfach so verlassen dürfen. Erst als die erste Croupière zurückkommt und uns wiedererkennt, ist das Problem gelöst. Sie weiß, welche Chips sie uns gab, und welchen Wert diese hatten. Dadurch musste sie nicht darauf achten, wer die Chips auf die Felder platziert hatte, und wem der etwaige Gewinn gehört. Wir gewinnen und verlieren, und als HerrBert für die letzten 30 Dollar Chips setzt, haben wir Glück und am Ende wieder 60 Dollar. 40 hat das Casino von uns. Aber das können wir verschmerzen.

Song des Tages: Der Spieler von Achim Reichel
Nicht ganz der richtige Ort. Aber das richtige Thema. Und der alte Rattles-Held hat in dem Song durchaus amerikanische Klänge.
