Joshua Tree mit mehreren Ästen und stacheligen Blättern vor einem blauen Himmel mit dramatischen Wolken.

Eintrag zum 5. Januar 2025 – geschrieben am 6. Januar

Twentynine Palms,  19°C


Wir müssen unser schönes Wüstendomizil verlassen. Für die kommende Nacht haben wir noch keine Buchung, danach ist unser Tiki-Quartier in Las Vegas an der Reihe. So fragen wir unseren Airbnb-Gastgeber, ob wir noch eine Nacht bleiben dürfen. Könnte ja sein. Ist aber leider nicht, weil kurz nach unserem Check-Out schon die nächsten Gäste im Anmarsch sind. Also packen wir unsere Sachen und gucken wehmütig aus dem Fenster auf die Dusty Road. Schnell nochmal Neil Diamonds Greatest Hits scheppern lassen und dann geht’s los.

Abschied ist ein schweres Schaf…

Wieder sonnigstes Wüstenwetter. Diesmal fahren wir direkt zum Westeingang des Joshua Tree-Nationalparks, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, uns durch andere Eindrücke vom Besuch abbringen zu lassen. Am Eingang entscheiden wir uns zum Erwerb eines Nationalpark-Jahrespasses, da wir im Verlauf unserer Reise noch weitere Parks auf dem Zettel zu stehen haben. Der Jahrespass, den man auch als Tourist kaufen kann, kostet 80 Dollar pro Fahrzeug – im Gegensatz zum normalen Eintritt, der allein schon bei 30 Dollar liegt. Als wir an dem kleinen Bezahlhäuschen an der Reihe sind, versuchen wir bei der schick uniformierten Rangerin noch den Trick mit dem „Seniorenteller“. Da würde der Jahrespass nämlich nur 30 Euro für ein ganzes Jahr kosten. Leider klappt er nicht, da diese Ermäßigung nur für Menschen mit dauerhaftem Wohnsitz in den USA gilt.

Dann geht’s aber los. Der Westeingang ist auch der schönere Eingang zu diesem Nationalpark, weil einem hier sofort unzählige der unverkennbar geformten Joshua Trees begrüßen. Die Joshua Trees, auf Deutsch Palmlilien, sind eine Art von Yucca-Palmen, die nur in der Mojave-Wüste und ähnlichen Regionen der USA vorkommen. Sie können an die 12 Meter hoch werden und haben einen dicken Stamm, der manchmal wie eine riesige Tatze aussehen kann. Oben haben sie stachelige Blätterbüschel, die an die gespreizten Finger einer Hand erinnern. Woher genau die Verbindung mit dem biblischen Name des Josua kommt, ist nicht ganz geklärt. Eine Version ist, dass die Mormonen die typischen Blätterpüschel mit den ausgestreckten Armen Josuas verglichen, der ihrem Volk den Weg aus der Wüste wies.

Die Bäume wachsen einzeln mit ein paar Metern Abstand zueinander, was dem Park eine schöne, ruhige Optik gibt. Dazwischen sind, wie auf einem riesigen Kuchen dazwischen drapiert, dicke Streusel in Form von runden Felsbrocken aufgeschichtet.

Die knuffigen Felsformationen erinnern HerrBert an seine Kletterzeit im Elbsandsteingebirge, wo es ähnliche, wenn auch höhere und steilere Formationen gibt. Auch im Joshua Tree-Nationalpark wird geklettert: Manche Touristen springen leichtfüßig wie die Bergziegen auf die Felsen, um oben Selfies zu machen,  andere rüsten sich mit Seil und Haken für den Aufstieg von höheren Felsen.

Auch wir kraxeln auf einen kleineren einfach zu besteigenden Felsen und schauen runter auf ein schier endloses Tal voll mit Joshua Trees und den hier und da hervorspringenden Felsformationen. Es ist hier so schön und fremdartig, dass wir beschließen, einfach auf der zentralen Straße durch die überwältigende Landschaft zu cruisen, ohne die vorher notierten Aussichtspunkte gezielt abzuklappern. Wir orientieren uns dabei an den Papierkarten, die uns die Rangerin am Eingang gegeben hat –  Netz gibt es hier nämlich keines. „Die Joshua Trees telefonieren wohl nicht so oft, höhö“, meint HerrBert in einem seltenen Anfall von Kalauertum.

Es ist relativ viel Betrieb im Park, doch es sind auch überall genügend Parkplätze – und auch immer Toiletten – vorhanden. Am Barker Dam Trail steigen wir aus und beschließen, den kleinen Rundweg abzulaufen. Er führt zu einem kleinen Damm, mit dem die Farmer vor rund hundert Jahren versuchten, einige Wasserläufe zu stauen, die es hier früher gab. Unter anderem, um die damals noch praktizierte Viehwirtschaft weiter betreiben zu können. Vor etwas mehr als hundert Jahren war die Gegend hier nämlich noch grün und saftig, wie es auf einer Informationstafel heißt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versiegten die Wasserläufe aber zunehmend – eine Begründung wird nicht geliefert – so dass die Viehwirtschaft in diesem Teil von Kalifornien zum Erliegen kam und die Natur seither von Pflanzen und Tieren geprägt ist, die mit wenig Wasser auskommen.

Die kleine, etwas krakelige Staumauer ist noch zu sehen und auch Ablagerungen an den Felsen zeugen vom einstigen Wasserstand. Ansonsten aber keine Spur mehr von Wasser. „Außer in unseren Flaschen“, kalauert HerrBert weiter. Frau Reiserin hat nämlich alle Taschen mit Wasserfläschchen vollgepackt. „Nie in die Wüste ohne Wasser“, das steht an jeder Informationstafel. An einigen Orten wird sogar detailliert für jede Aktivität aufgelistet, wieviel Wasser man genau mit sich führen soll. Die Hälfte bringen wir allerdings wieder zum Auto zurück, denn es ist nicht besonders heiß und wir kommen auf dem knapp einstündigen Marsch kaum ins Schwitzen. Aber es ist ja auch Winter. Im Sommer wird es hier gerne mal über 40°C heiß.

Braucht nicht viel Wasser: ein Joshua Tree

Trotzdem haben wir jetzt allmählich Hunger, und außerdem kündigt sich schon wieder die Dämmerung an. Wir fahren also zurück nach Twentynine Palms. Bevor wir uns zu unserem neuen Quartier aufmachen, folgen wir noch dem Lockruf des graubärtigen Barden, der in einer Art Biergarten auf der Steel Guitar melancholische Melodien spielt, während auf dem stummgeschalteten Bildschirm American Football übertragen wird. Das dazugehörige Lokal ist sowohl für sein lokales Bier als auch für seine Burger bekannt, und so gönnen wir uns beides.

U2 waren auch schon mal da

Die letzte Fahrt für heute führt zu unserem neuen Quartier, das wir uns gestern spontan noch gesichert haben. Heute übernachten wir nämlich im Harmony Motel. Es ist das Motel, vor dem sich Bono und seine U2 für ihr Album „The Joshua Tree“ fotografieren ließen.

HerrBert hatte bei seinen Recherchen gelesen, dass U2 – Helden seiner Jugend – hier ihr Quartier aufgeschlagen hatten, als sie sich für das Album inspirieren ließen. Ganz lässt sich das nicht erhärten und das Motel, das ursprünglich aus den 1950ern stammt und zu Zeiten des U2-Fotoshootings ziemlich abgerockt war, wurde zwischendurch geschlossen. Erst in den Nullerjahren übernahm es eine neue Besitzerin – der Legende nach hat sie es auf ebay günstig gekauft – um es wieder in den alten Zustand zurückzuversetzen. Als wir gestern eher zufällig daran vorbeifuhren, waren wir sofort entzückt von dem Retro-Charme. Wie sich herausstellte, war nicht nur ein Zimmer frei, sondern dieses auch noch erschwinglich.

Die Anlage ist bezaubernd altmodisch. Sie besteht aus niedrigen, langgestreckten Bungalows, der Garten davor von der neuen Besitzerin liebevoll mit allerlei Tierfiguren und Lichterketten geschmückt. Der Blick aus den Zimmern geht auf die Wüste, die im Tal liegende Ortschaft Twentynine Palms – und auf einen Pool mit Hot Tub. Letzterer sei erst um 18 Uhr richtig warm, lässt uns die resolute Besitzerin wissen. Das stört uns nicht, wir setzen uns vor unser Zimmer und gucken fasziniert zu, wie sich der Himmel in breite hellblaue und rosarote Flächen auffächert, bevor die Sonne dann zügig untergeht.

Der Jacuzzi, als es noch hell ist

Um Punkt 18 Uhr ist Frau Reiserin dann nicht mehr zu halten. Bibbernd springt sie zum Jacuzzi und ist die nächste Stunde nicht mehr rauszulocken. Auch HerrBert lässt sich überreden, und so liegen wir versonnen im warm blubbernden Wasser, gucken in den Sternenhimmel, verdrängen, dass wir gleich patschnass in die kaum noch 10 Grad kalte Luft rausmüssen – und freuen uns einmal mehr wie die Schnitzel, dass wir so viel Glück haben, jetzt hier sein zu dürfen.

Für den Rest des Abends sinniert HerrBert über die Bedeutung, die U2 und speziell das „Joshua Tree“-Album für ihn als jungen Mann hatte. Dabei geht es auch um die Frage, wie die Band mit ihrem Welterfolg beeinflusste, dass viele Leute den Begriff „Joshua Tree“ überhaupt kennen, ohne vom Nationalparkt zu wissen. Darum wird es hier demnächst nochmal gehen.

Für heute ist aber Zapfenstreich. Morgen geht es durch die Mojave-Wüste ein Stück auf der alten Route66 und dann nach Las Vegas. Gut möglich, dass wir mal einen Tag Schreibpause einlegen.

Good night aus der Wüste!


Song des Tages: New Year‘s Day von U2


Frau Schreiberin konnte mit U2 nie viel anfangen. Eine Ausnahme ist dieses Stück, das sie als düsteres Grufti-Girl gerne auf dem Heimweg von ausufernden Silvesterpartys hörte.