Altmodisches, gemaltes Informationsschild zeigt Horseshoe Bend, einen Flussbogen im Grand Canyon, mit blauem Himmel und Wolken

Gestern Abend sind wir in Page angekommen, und schon bei der Fahrt dahin sind wir auf die Merkwürdigkeiten der amerikanischen, genauer gesagt arizonaischen Zeitzonen gestoßen. Es war abends kurz nach acht, als wir Tuba City, AZ losfuhren – und unsere Ankunft in Page wurde uns für 19.57 Uhr anvisiert, bei einer knappen Stunde Fahrt. Wie konnte das gehen?

Während Arizona GMT-7 hat, gilt im Navajo-County, wo Tuba City liegt, GMT-6. Seit 1968 gibt es in Arizona keine Sommerzeit – mit Ausnahme der Gebiete der Navajo Nation. Diese hat eine Sommerzeit. Also kommt es hier zu einem Zeitunterschied, der geografisch nicht begründet ist. Und es wird noch komplizierter:

Das Reservat der Navajo umschließt das Reservat der Hopi. Die Hopi halten sie jedoch an die Arizona-Regelung und haben keine Sommerzeit. Genau in Tuba City verläuft die Grenze zwischen Hopi- und Navajo Reservat. Darum gibt es hier in der Periode der Sommerzeit von einer zur anderen Straßenseite verschiedene Uhrzeiten. Ein schöner Spaß für den, der auf der anderen Seite zu tun hat oder dort Termine hat.

Die nächste Stufe des Zeiten-Wirrwarrs erlebten wir dann in Utah. Die Ortschaft Page liegt nämlich unmittelbar an der Grenze zu Utah. Fährt man von Page aus wenige Kilometer nach Norden, wie wir heute anlässlich unseres kleinen Ausflugs nach Lone Rock Beach, springt die Handy-Uhr flugs auf GMT-6, da Utah nun mal auch Sommerzeit hat. Die Bestätigungsmail vom Tourenanbieter, wo wir für morgen eine Wandertour gebucht haben, weist explizit darauf hin, um sicherzustellen, daß wir zur rechten Zeit zur Tour erscheinen… Was aber heißt in diesem Fall „rechte Zeit“? Man könnte darüber philosophieren, aber lassen wir das.

Wir wachen jedenfalls erholt und ohne Wecker am späten Morgen auf. Wir sortieren uns, fahren erstmals unsere Wohnmobil-Jalousie aus, um unseren Morgenkaffee im Schatten der schon heißen Sonne geniessen zu können, und beschliessen, zum Lone Rock Beach (Achtung: Utah time!) zu fahren. Der Lone Rock Beach liegt am Lake Powell, einem Stausee, der durch die Aufstauung des Colorado River in Page entstanden ist. Der See im Grenzgebiet von Arizona und Utah ist mit seinen rund 650 Quadratkilometern Wasserfläche sechsmal so groß wie die Müritz, 100 Quadratkilometer größer als der Bodensee und der zweitgrößte Stausee der USA.

Wir fahren mit unserem Wohnmobil-Schiff die letzten Kilometer Schotterpiste bis kurz vor das Seeufer. Die Frau Reiserin scheint in ihrem Beifahrersitz zu versinken und ist nur mit „Oh, Gott, oh Gott, oh Gott“ zu vernehmen, da HerrBert nicht am Ende der asphaltierten Straße stehen blieb. Der wollte jedoch keine kilometerlange Wanderung auf sich nehmen und die schon von weitem auszumachende Vielzahl der am Ufer stehenden Wohnmobile packte auch seinen Ehrgeiz.

Straßenbär am Lone Rock Beach

Kurze Zeit später standen wir schön eingereiht mit den anderen WoMos an einer Kante unweit des Ufers. Wir holten unsere Campingstühle aus der Wohnmobilkiste, genossen den Ausblick auf den See und auf den imposanten Felsen, der aus ihm herausragte. Er wird Lone Rock genannt, einsamer Fels. Es weht ein sanfter Wind, im Wasser sind ein paar Boote zu hören, und im Wohnmobil nebenan ruft eine Camperin ihre Katze zu sich, obwohl diese an einer Leine geht und daher sowieso nicht weglaufen könnte.

Auf Wunsch der Reiserin, die bekanntermaßen eine unerklärliche Schwäche für Talsperren und Staumauern hat, hielten wir auf der Rückfahrt an dem Staudamm, der diesen See erschaffen hatte. Er heißt Glen Canyon Dam und ist die zweitgrößte Anlage dieser Art in den USA nach dem Hoover Dam.

Sieht aus wie der Hoover Dam, ist aber der Glen Canyon Dam

Die nächste Station heute – und der Grund, warum wir überhaupt nach Page gefahren sind – heißt „Horseshoe Bend“ – Hufeisenschlaufe. Es ist eine hufeisenförmige Flußschleife des Colorado River – jenem Teil hinter der Staumauer. Der Horseshoe Bend ist wegen seiner putzigen Form und seinen spektakulären Farbspielen eine der Hauptattraktionen von Page. Hier herrscht ein touristischer Andrang ähnlich wie beim Grand Canyon. Das stellen wir fest, als wir unseren Straßenbär auf dem Parkplatz abstellen, um den gut einen Kilometer langen Fußweg zum Aussichtspunkt in Angriff zu nehmen. Auf dem Weg kommen uns ein nicht abreißender Strom von Touristen entgegen und auch wir streben in einer Ameisenreihe in Richtung Aussichtspunkt.

Die Hufeisenschlaufe des Colorado River in Arizona: Horshoe Bend

Schließlich erreichen wir den Bend und sind überwältigt von der Höhe und der Schönheit der Flussschleife. Wir fotografieren andere und diese fotografieren im Gegenzug uns. Alle zusammen fotografieren den überaus fotogenen Fluss. Neben der Absperrung bewegen sich im weiten Umfeld der Aussicht viele wagemutige Besucher, um ein noch individuelleres Bild von sich zu bekommen mit dem Hintergrund der Flussschleife. Insbesondere asiatische junge Frauen posieren so anmutig wie möglich zentimeternah an der Kante. Wir suchen uns ein ruhiges Plätzen, genießen auch hier die Aussicht und schmunzeln über einzelne, die sich ganz vorsichtig an den Rand robben, um dann in Heldenpose ein Foto von sich schießen zu lassen, bevor sie wieder mit zitternden Knien zurückrobben.

Heldinnen am Abgrund

Page und der Straßenbär verstehen sich gut. Während am Grand Canyon Süd einzelne Abschnitte für den Individualverkehr generell gesperrt sind, und bei dem im Tal gelegenen Sedona Parkplätze immer eng und klein waren, ist hier wieder die amerikanische Weite zu spüren. Mit dem Wohnmobil ans Seeufer? Kein Problem. Am Staudamm halten, um sich den Damm anzuschauen? Ein Kinderspiel. Auch am Parkplatz des Horseshoe Bend gibt es unzählige für RVs vorgesehen Parkplätze.

Allerdings fällt auch auf, dass die Mehrzahl der hiesigen Globetrotter neben dem Wohnmobil oder -anhänger einen separaten PKW dabei hat: entweder als Zugmaschine für einen gigantischen Trailer, oder an ein RV hinten drangehängt. In beiden Fällen können die Reisenden auf diese Weise ihr Mobil mit ausgefahrenen Alkoven, dreckigem Geschirr und davor platzierten Campingstühlen am Stellplatz stehen lassen, während sie mit dem Auto die Gegend erkunden. Wir hingegen müssen bei jeder noch so kleinen Fahrt die Elektrik und das Wasser kappen, unsere Sachen so verstauen, daß sie nicht umkippen, auslaufen oder in der Kurve durch die Gegend fliegen. Das ist schon aufwendig, wird aber immer weniger mühselig, da die Handgriffe inzwischen sitzen. Und so sieht selbst die Frau Reiserin immer mehr Vorteile in unserem Schneckenhausdasein. Nicht nur, dass sie die ganze Zeit nie Koffer schleppen muss – es ist auch immer ein WC in unmittelbarer Reichweite.

Song des Tages: Paris, Texas von Ry Cooder

Andere Ecke, aber die Stimmung passt: Den Soundtrack des Wim Wenders-Films haben wir uns heute den ganzen Vormittag angehört.

Was bisher (und danach) geschah: hier