Person in gelbem Anzug schwebt horizontal im Windkanal, betreut von Trainer in rotem Anzug mit Helm

An diesem Wochenende wohnte die Reiserin einem bezaubernden Ereignis bei. Sie erlebte nämlich aus nächster Nähe, wie der HerrBert von zwei superheldenhaft anmutigen Wesen in die Lüfte gehoben wurde, bis er scheinbar schwerelos flog, und sich dabei glücklich strahlend im Kreis drehte.

Und das kam so: Vor ein paar Monaten wurde sein Geburtstag begangen. Unter den vielen Gaben der Freunde waren auch Erlebnisgutscheine: Bierbrauen, Surfen, Fliegen. Und zum Fliegen trat er am Sonntagmittag an. Genauer gesagt: zum Schweben im Windkanal.

Im Bezirk Lichtenberg im Berliner Osten bietet eine Firma dieses Erlebnis an. Sie residiert auf dem Backsteinareal des alten Berliner Wasserwerks. Wir kamen in eine freundliche, aber irgendwie unspezifische, weitläufige Lobby. Am Tresen bestellten wir gleich mal Kaffee und Smoothies, weil uns noch der Alkohol vom Vorabend in den Adern floss. Da war nämlich Krimidinner, das Geschenk für einen anderen Jubilar aus dem Freundeskreis, das man gemeinsam verpulverte. Dazu ein anderes Mal mehr. Heute stand Fliegen auf dem Programm.

Und tatsächlich: Am Ende der Lobby, fast unscheinbar, befand sich etwas, das aussah wie ein gläserner Aufzugsschacht. Das war der Windkanal.

Sieht aus wie ein gläserner Aufzugschacht, ist aber ein Windkanal.

Schon kurz darauf betraten ihn nacheinander Wesen in schwarzen Ganzkörperanzügen mit Integralhelm. Ein leises Rauschen, etwa wie von einem Badezimmerfön in einem benachbarten Hotelzimmer, setzte ein, und das erste der Wesen erhob sich in die Lüfte. In Schwimmhaltung und alle Viere mit abgewinkelten Beinen von sich gestreckt, wie man es von Fallschirmspringern kennt, bevor sich der Schirm öffnet. Fröhlich wirbelte es durch die Luft, ließ sich nach oben tragen und wieder fast bis zu dem Gitternetz fallen, das auf Bodenhöhe den Kanal begrenzte. Das sah spaßig und auch ein bisschen anstrengend aus.

Dann verließ das Wesen den Kanal durch eine Art Schleuse und zwei andere, noch etwas grazilere Wesen im selben Outfit warfen sich hinein. Die beiden flogen, dass es eine Freude war. Sie wirbelten umeinander herum, hielten sich an den Händen, drehten sich hin und her, ein elegantes Luftballett. „Das scheint ja alles machbar zu sein“, deutete die Reiserin den Ausdruck auf HerrBerts müdem Gesicht.

Jetzt trat der Instruktor für die Anfängergruppe in Erscheinung. Dem halben Dutzend Teilnehmern wurden ebenfalls Anzüge ausgehändigt, diese allerdings in nicht ganz so graziösem Grellgrün und irgendwie auch nicht so anschmiegsam. Diverse Sicherheitsinstruktionen – und Ohropax gegen den betäubenden Lärm im Windkanal – wurden ausgegeben und dann ging es los.

Von hier weht der Wind: der Boden des Windkanals mit dem Standnetz und den Düsen

Einer der erste Nachwuchsflieger, ein Mann in mittleren Jahren, ließ sich bäuchlings durch das Tor in den Windkanal fallen – und stellte dabei fest, dass der Auftrieb zwar stark, aber nicht unbegrenzt war. So jedenfalls wirkte es für die Reiserin außen an der Scheibe. Von alleine kommt man scheinbar auch im Windkanal nicht ohne Weiteres vom Boden los. Doch er hatte ja den Instruktor an der Seite. Vorher, mit heruntergeklapptem Anzug noch ein eher unscheinbarer, auffallend schmaler junger Mann, wirkte der, jetzt im schwarzen Ganzkörperanzug, auf einmal elegant wie Spiderman und fantastisch schwerelos. Flugs hebelte er den Gast mit leichthändig gekonntem Griff ungefähr einen Meter vom Bodennetz weg und bedeutete ihm, sich so weit wie möglich auszubreiten, damit die Luft genügend Fläche hat, um ihn nach oben zu hieven. Selbst eher in der Luft tanzend als auf dem Netz stehend, gab er danach kleine Hilfestellungen, bis der Fluggast stabil in der Waagrechten lag. Als er loslies, schubberte beim Gast der Bauch seines Anzugs nochmal kurz über das Bodennetz, dann hatte er den Dreh raus und erhob sich, von Spiderman gehalten, einen knappen Meter hoch und flog. Dann war HerrBert an der Reihe.

Fröhlich, aber durch den voluminösen Anzug auch ein wenig mehr an eine knuffige, geschmeidige Robbe als an einen Tänzer der Lüfte erinnernd, kam er durch das Tor und machte sich mit der neuartigen Situation vertraut. „Laune“ habe es gemacht, sagt er später, und tatsächlich grinst er die ganze Flugdauer hindurch wie ein Honigkuchenpferd. Aber anstrengend sei es, man müsse enorm viel Körperspannung aufbringen, damit die Luft einen trägt.

Im Griff der Superheldin

In der nächsten Runde kam eine Steigerung: der Taxiflug. Jetzt betrat eine zur Instruktorencrew gehörende Superheldin in knallrotem Ganzkörperanzug den Windkanal. Auch sie bewegte sich hyperanmutig und schien mit dem Windstrom geradezu zu tanzen, doch trotzte sie ihm gleichzeitig auch immer wieder stabil auf dem Bodennetz stehend. Strahlend und mit einem gekonnten Griff hakte sie ihre Arme bei HerrBert unter, und schon erhoben sich beide wie ein riesiges Sonnenrad in Richtung Decke des doch ziemlich hohen Windkanals – gut 17 Meter kann es nach oben gehen. Fröhlich wirbelten sie durch die Luft, ließen sich spielerisch bis fast nach unten fallen, um sich dann wieder nach oben tragen zu lassen. Kurz überlegte sogar die Reiserin, die ja eine zertifizierte Memme und herausfordernden Sportabenteuern höchst abgeneigt ist, ob sie vielleicht demnächst auch mal einen solchen Flug wagen sollte. Aber fürs Erste genoss sie jetzt einfach den wirklich spektakulär schönen, eleganten und dem Grinsen der Beteiligten nach wohl auch im Innern des Windkanals extrem gute Laune machenden Anblick.

Der Taxiflug im Windkanal macht Laune

Als alle Mitglieder der Gruppe mehrfach mit Unterstützung der Superheldin hinauf- und hinuntergeschwebt waren, kam die Stunde des Instruktors. Scheinbar mühelos ließ er sich stehend in die Höhe tragen und zeigte mit beiläufiger Lässigkeit ein paar atemberaubende Kunststücke. Er wirbelte, tanzte, bewegte sich schwerelos im Windkanal, drehte sich wie nebenbei um sich selbst und schien geradezu auf dem Luftstrom zu spazieren.

Auch die Teilnehmer der Anfängergruppe waren gebannt und HerrBert drückte dem Instruktor danach seine Bewunderung aus. Ganz so selbstverständlich sei die Lässigkeit dann übrigens nicht, lernte er. „Ziemlich viel Training“ stecke da schon drin, habe der Instruktor gesagt.

Eine gute Stunde später war dieses Abenteuer bestanden und der HerrBert wieder mit beiden Füßen auf der Erde. Jegliche Spuren von Übernächtigung waren aus seinem Gesicht verschwunden und, so schien es der Reiserin, er schwebte noch eine ganze Weile glücklich ein ganzes Stück über dem Boden.

Hinweis: Wir stehen nicht in Verbindung mit dem Unternehmen oder einzelnen erwähnten Personen, und haben von diesem Beitrag keine Vorteile. Alle Flüge und sonstigen Leistungen wurden selbst bezahlt.

Song des Tages: Learning to Fly von Tom Petty and the Heartbreakers

Der erste Song, der HerrBert zu diesem Beitrag in den Sinn kam. „Aber handelt der überhaupt vom Fliegen?“, fragte er sich plötzlich. „Oder vielleicht von der Liebe? Oder von Sex?“ Ein Blick auf die Lyrics brachte nur eine grobe Antwort: Es geht irgendwie ums Leben an sich, Coming of Age und so. Und da ist ja irgendwie alles andere inklusive.