Ein klein wenig hängen wir gerade mit allem hinterher. Schuld sind ein paar Flaschen, die HerrBert sich aufs Handy geladen hat. Genauer gesagt ein Spiel, bei dem man bunte Flüssigkeiten von einer Flasche in die andere schütten muss, bis am Ende alle Flüssigkeiten in der richtigen Flasche vereint sind. Er gönnte sich damit eine kleine Abwechslung von seinem sonstigen Standardspiel Sudoku.
Frau Reiserin, ansonsten keine Daddlerin, schielte mit drauf und hing sofort an der Flasche. „Hier, das Blaue aufs Blaue, dann wird das Gelbe frei“ zwitscherte sie aufgeregt. Oft lag sie richtig und HerrBert ließ sie gutmütig mitmachen. Sie kam in Fahrt. „Das Pinke nach oben, nein, das andere.“ Wenn man alles richtig machte, waren am Ende alle Flaschen mit der richtigen Farbe voll und das Handy jubelte einem zu. „Darf ich auch mal?“

Irgendwann begann HerrBert zu murren, sie solle sich selbst das Spiel aufs Handy laden. Danach verbrachten wir das friedlichste Wochenende unserer Paargeschichte – vielleicht abgesehen von den Tagen, als der Kosmonautenwecker bei der Reiserin eingezogen war. Wann immer eine Sekunde frei war, füllten wir Flaschen. Bei jeder absolvierten Runde bekam man nach einem unverständlichen System und grafisch sehr effektvoll viele Punkte, Zusatzvergünstigungen und sonstige Belohnungen und war auf dem nächsten Level. Und einmal mehr war klar, dass wir auch diese Aufgabe komplett unterschiedlich angehen.
HerrBert grübelt bei jeder neuen Spielsituation lange und nimmt im Kopf vorweg, welche Spielzüge welche Folgen haben könnten – im schlimmsten Fall kommt man nämlich schlagartig in eine Sackgasse, bei der kein nächster Zug mehr möglich ist. Das gibt einem das Spiel mit viel grafischem Karacho zu verstehen, bevor es effektvoll anbietet, doch weiterzumachen, dafür aber einen Großteil seiner bisher gewonnenen Punkte zu opfern oder, falls nicht vorhanden, sich unendlich lange, deprimierend eintönige Werbungen für andere Spiele reinzuziehen.
Die Reiserin wird ungeduldig, wenn HerrBert zu lange überlegt. Sie stürzt sich hasardeurisch in jede Runde, entscheidet rasch und aus dem Bauch. Dabei übersieht sie oft Dinge oder geht unlogisch vor, hat aber manchmal auch intuitiv genau den richtigen Riecher. Wenn sie in Fahrt ist, will sie mit dem Kopf durch die Pixelwand aufs nächste Level, auch wenn sie alle paar Runden sämtliche Punktvorräte und Joker drangeben muss. Beim Flaschenfüllen verhalten wir uns beide ganz anders als im normalen Leben.

Immer mal wieder spielten wir auch eine Runde gemeinsam. HerrBert lobte die Reiserin für ihren Instinkt, mit dem sie gewagte Spielzüge anging und gewann, sie bewunderte seine Umsicht und sein strategisches Denken. In diesen Momenten beim Handyspielen ergänzten sich unsere Gegensätzlichkeiten ohne Streiterei.
Doch irgendwann begann es zuviel Zeit zu fressen. Als die Reiserin zum unzähligsten Mal ein Werbefilmchen über sich ergehen lassen musste, um die verlorenen Punkte abzubüßen und irgendwann auf Level xy merkte, dass der Computer nur noch eine einzige, festgelegte Lösung akzeptierte, verlor sie die Geduld. „Ich lass mich nicht von einer KI in Ketten legen“, verkündete sie und löschte das Spiel wieder.
HerrBert hingegen hatte schon früher einen anderen Weg gewählt und eine Variante des Spiels geholt, in der man Schritte rückgängig und Fehler verlustlos korrigieren kann. Weniger Jubeleffekte, dafür strategischer Wachstum. Am Anfang nölte die Reiserin: „Das ist ja total öde, und außerdem sehen die Farben alle gleich aus.“ HerrBert hörte einfach nicht hin. Inzwischen ist es schon bei Level xyz. Hin und wieder schielt die Reiserin ihm dabei jetzt wieder über die Schulter. Manchmal flüstert sie dabei leise „Pink nach unten und dann ist Gelb frei“, und wenn HerrBert gute Laune hat, folgt er ihrem Vorschlag.

Und sonst so? Unsere Reise in die Wärme rückt näher. Demnächst hier mehr dazu. Bis dahin lernen wir noch ein paar mehr Worte Spanisch…
Song der Woche: Casino Royale von Herb Alpert & Tijuana Brass
Herb Alpert hört HerrBert gerade rauf und runter. Spiel und Flaschen spielen auch im Casino Royale eine Rolle. Und Tijuana ist ein Wink mit dem Zaunpfahl, was unsere Reise in die Wärme angeht…
