Bevor es ins Wohnmobil ging, machte die Reiserin in New York eine überraschende Hotelentdeckung. Eigentlich wollte sie bloß eine Dusche ausfindig machen, um sich nach dem langen Überseeflug und vor der Weiterreise nach Las Vegas, wo unser Wohnwagenabenteuer am nächsten Tag begann, ein bisschen zu erfrischen. Zeit war genug, fast sechs Stunden Zwischenhalt waren eingeplant, weil man nie weiß, wie lange die Einreise in die USA dauert.
Die Recherche vor Abflug ergab: Öffentliche Duschen gibt es am JFK nicht, und die wenigen Lounges mit Duschen, zu denen man sich auch mit Economy-Ticket einen Tageszugang erkaufen kann, lagen in den falschen Terminals. Gerade als sie sich damit abfand, halt unerfrischt weiterzufliegen, sah sie einen Hinweis auf das einzige Hotel innerhalb des Flughafens, und dazu noch am Terminal 5, von wo sie weiterflog: das TWA-Hotel. Nie gehört. Was soll das sein?

TWA ist die Abkürzung für Trans World Airlines. Diese wurde 1930 als „Transcontinental & Western Air“ gegründet, um New York mit anderen großen Städten der USA zu verbinden. 1939 übernahm der exzentrische Filmproduzent und Luftfahrtpionier Howard Hughes die Fluggesellschaft und baute sie nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer der größten Interkontinentalfluglinien aus. In den 1950er und 60er Jahren war die TWA eine der bekanntesten und glamourösesten Airlines, die in ihrem Erscheinungsbild die Eleganz und Modernität des Flugreisens in den Vordergrund stellte. Sagen wir: Die das Fliegen feierte, als es noch als teures, aber unschuldiges Vergnügen wahrgenommen wurde.

Die Fluggesellschaft ließ am JFK-Flughafen ein modernes Gebäude namens TWA Flight Center erstellen, das Restaurants und Geschäfte mit dem Terminal verband. Eröffnung: 1962. Entworfen hatte es der finnisch-amerikanische Architekt Eero Saarinen, dem wir unter anderem auch den legendären Tulpenstuhl verdanken.

Saarinen gab alles: federleicht wirkende, Spannbetonbogen, Schwung, Dynamik, Modernität, Eleganz. Er wollte nicht nur ein praktisches Terminal bauen, sondern in seinem Entwurf „Dramatik, Besonderheit und Aufregung des Reisens“ architektonisch zum Ausdruck bringen. Kurz vor der Eröffnung des Flight Centers starb Saarinen mit nur 51 Jahren an den Folgen einer Operation.

2001 wurde die TWA von American Airlines übernommen und das Gebäude seither nicht mehr für den Flugbetrieb genutzt. Der Besitzer, die gemeinsame Flughafenbehörde von New York und New Jersey, suchten nach Wegen, das denkmalgeschützte Gebäude wiederzubeleben. 2016 wurde es von einem der größten amerikanischen Hotelbetreiber gepachtet und 2019 als neues Luxushotel eröffnet – Denkmalschutz auf Amerikanisch. Dazu wurde es um zwei Gebäudeflügel ergänzt, die sich perfekt in den Originalentwurf einfügen. Heute steht das TWA-Hotel etwas eingequetscht zwischen Parkhaus und AirTrain-Haltestelle am kleinen Terminal 5, das vorwiegend von der Inlandsfluglinie JetBlue bespielt wird. Viel ist dort nicht los. Aber das vergisst man, sobald man sich zu dem Hotel durchgeschlagen hat. Ein Juwel und ein echter Tipp für alle, die am JFK ein paar Stunden Zeit zu vertrödeln haben.

In der spektakulären Lobby kann man sitzen, Kaffee trinken und die Architektur bewundern – kostenlos und auch, wenn man nicht in einem der über 500 Zimmern wohnt, die nun in dem Gebäude untergebracht sind. An diversen Orten des öffentlichen Bereichs sind Artefakte und Baupläne aus der großen Ära der TWA ausgestellt, es gibt Bars, Konferenzräume, ein Fitnessstudio und einen bezaubernden Friseursalon, nicht ganz stilecht für Saarinens kühle Moderne, aber doch irgendwie artverwandt im Stil einer zuckerwattensüßen Sixties-Ästhetik gestaltet. Die Rezeption ist dem historischen Check-In-Bereich nachempfunden, und man sieht vor seinem inneren Auge sofort Don Draper aus Mad Men hier seine Bordkarte in Empfang nehmen. Im gesamten Gebäude sind Dekorationsstücke aus dieser Epoche verteilt, die Vintage-Fans ebenso wie Architekturkenner aus dem Häuschen bringen.

Das Übernachten hier ist bizarr teuer. Zwischen 6 Uhr morgens und 8 Uhr abends kann man die Zimmer auch für einen mehrstündigen Tagesaufenthalt mieten: Die knapp 200 Dollar dafür sind immer noch ein Heidengeld. Aber man bekommt ein frisches, stylisches, wunderschönes Zimmer mit Blick auf das ikonische Gebäude oder das Flugfeld, kann ein Nickerchen machen, die ausgelegten historischen Life-Magazine aus den 1960er Jahren lesen oder sich auf die Dachterrasse begeben und dort im Infinity Pool planschen, während man das Flughafengeschehen aus nächster Nähe beobachtet. Wer Flughäfen liebt, wird hier überglücklich. Ein Foto von dem spektakulären roten Teppichröhrengangs, der zu den Zimmern führt, gibt es in diesem Beitrag.

Denn das TWA-Hotel auch in seiner überarbeiteten, kommerziell aufbereiteten Form ist spektakulär und erzählt viel über die flirrende, elegante Energie einer vergangenen Epoche, als die USA die gesamte westliche Popkultur noch mit Träumen versorgte. Viele prägen unsere Alltagskultur und unser Ästhetikempfinden bis heute. Diese Begeisterung ist naiv. Aber das Gebäude hat sie verdient. Es kann von allen Passagieren des JFK-Flughafens besucht und vom AirTrain-Ausgang am Terminal 5 in wenigen Minuten zu Fuß erreicht werden.

Von der Lobby kann man mit einem Aufzug direkt ins Abflugterminal 5 fahren, wo man nochmal die Security passieren muss. Bevor einem der Aufzug in die Gegenwart katapultiert, kann man einen kleinen Stopp am originalen Schreibtisch von Howard Hughes einlegen, der hier lässig und zum Anfassen nah ausgestellt ist. Allerdings ist der Bourbon im Glas auf dem Schreibtisch aus Plastik. Genug von alten Zeiten geträumt. Wir sind schließlich im Amerika des 21. Jahrhunderts.

TWA-Hotel, im Terminal 5 am JFK-Flughafen (nach dem Zoll), www.twahotel.com
Übernachtungen ab 317 USD, vier- bis zwölfstündiger Aufenthalt ohne Übernachtung („Daytripper“) ab 199 USD.
Hinweis: Sämtliche Kosten für den Aufenthalt im TWA-Hotel sowie unsere Flüge wurden von uns selbst bezahlt. Wir haben keinerlei Verbindung zu den genannten Unternehmen.
Song des Tages: El Cumbanchero von Michael Magne
Easy Listening von 1962 mit der verspielten Leichtigkeit, die auch das TWA-Gebäude von Eero Saarinen hat.
