Blick aus dem Auto auf eine gerade Straße, die durch eine Wüstenlandschaft führt, mit Bergen im Hintergrund und klarem blauen Himmel.

Eintrag zum 12. Januar 2025 – geschrieben am 14. Januar

Fahrt von Bakersfield nach Mariposa, 16°C


Die Knochen knirschen, als wir kurz vor zehn Uhr in Bakersfield aus unserer Rockabilly-Garage auschecken. Ganz so warm war es darin dann doch nicht. Aber die Sonne strahlt auch an diesem Morgen – ebenso wie der Mann unserer Gastgeberin, der gemütlich auf der Veranda sitzt und zu einem Schwätzchen herüberkommt, als er uns sieht.

„Die Amis sind alle strohdumm“, sagt er kategorisch und grinst. „Aber ihr Stil nach dem zweiten Weltkrieg war großartig.“ Auch er ist Rockabilly, die Haare sind inzwischen weiß, aber eine leichte Anmutung von Tolle hat er immer noch. „Bei uns ins Australien kam der Aufschwung zwanzig Jahre später, in den Siebzigern. Eine großartige Zeit. Damals ging ich zur Schule, es waren sehr gute Jahre für uns.“ Die Reiserin ist bezaubert von seinem knüppeldicken australischen Akzent, der die Wörter so sehr verzehrt, dass HerrBert das Verstehen nach wenigen Sätzen aufgibt. Der Gastgeber wiederum ist bezaubert von Frau Reiserins begeistertem Nicken und hört überhaupt nicht mehr auf mit seinem Schwätzchen.

„Wo immer ihr in den USA unterwegs seid, haltet euch an Westen und Südwesten. In jeder amerikanischen Stadt sind die Gangster auf der Eastside.“ Die Reiserin nickt beeindruckt. Hat sie sich so noch nie klar gemacht, ist aber wohl was dran. Ein paar Weisheiten folgen noch, dann ist HerrBerts Ungeduld offensichtlich, und wir eisen uns los. Nach einem letzten Winken fahren wir in Richtung Frühstückskaffee. Die Reiserin hat eine Location ausgeguckt, die stylisch aussieht und guten Kaffee verspricht.

Das scheint zu stimmen, denn die Schlange am Eingang ist lang. Es ist Sonntag, und da gönnen sich einige Bakersfielder das auswärtige Frühstück. Während wir in der sehr langsam voranschreitenden Reihe warten, versuchen wir, das System zu verstehen: Vorn am Tresen bestellt man Speisen und Getränke bei einer Person. Diese verrichtet nebenbei noch andere Handgriffe. Dann erhält man ein Schild mit einer Nummer, und nachdem die Küche die Speisen und Heißgetränke zubereitet hat, düsen die Kellnerinnen durch den Laden und suchen die Schilder auf den Tischen passend zum Essen oder den Getränken, welches sie gerade durch die Menge balancieren. Hier nicht, da nicht, vielleicht draußen, nee, auch nicht, also wieder mit den Tassen und den Tellern zurück. Eine Odyssee, welche die Cappuccinos, Frühstücksburritos und Granola Bowls da manchmal mitmachen müssen. Wer auch noch einen zweiten Cappuccino trinken möchte, muss sich wieder in die Warteschlange einreihen und das Schilderprozedere beginnt von vorne. Das Frühstück schmeckt, der Cappuccino ist lecker, was soll‘s.

Der Kaffee lässt noch auf sich warten

Aber jetzt ruft der Yosemite-Nationalpark. Bereits drei Mal wollte HerrBert diesen besuchen. Doch bei jeder USA-Reise, die in die Nähe führte, kam etwas dazwischen. Er ist entschlossen, es beim vierten Mal zu schaffen. Winter ist nicht die günstigste Zeit, weil eine der großen Zufahrtsstraßen, der Tioga-Pass, von Herbst bis Frühling geschlossen ist. Darum steuern wir das Städtchen Mariposa am Südwesteingang des Yosemite-Parks an.

Die Fahrt zieht sich dahin. Hinter Bakersfield fahren wir lange über flaches Land. Links wachsen Obstbäume, rechts Wein. Endlose Reihen in endlosen Weiten. „Hier irgendwo ist die Tankstelle, wo James Dean seinen letzten Stopp machte“, weiß die Reiserin. Ein Umweg von zwanzig Minuten, aber dafür etwas anderes zu sehen. Mitten im Nirgendwo taucht die Tankstelle auf. Eine fünf Meter hohe Figur des Schauspielers an der einen und ein drei Meter hohes Konterfei an der anderen Seite sollen die geneigten Besucher auf die Besonderheit des Ortes hinweisen.

Ein Blick über die Schulter genügt

Drinnen gibt es neben den üblichen Tankstellenangebot und ganzen Regalreihen voller örtlich geernteter Nüsse und Mandeln James Dean-T-Shirts und -Memorabilia jeglicher Art. Und auch gleich noch von diversen anderen Helden. Denn wer sich für James Dean interessiert, schaut doch bestimmt auch nach Elvis, Marilyn Monroe und Jim Morrison. Und nach den Beatles. Am heute geschlossenen Restaurantteil der Tankstelle ist dann auch nicht eine lebensgroße Figur von James Dean auf einem der Hocker platziert – sondern von Marilyn Monroe. Warum auch immer.

Wo James draufsteht, ist Marilyn offenbar nicht weit

Die Fahrt geht weiter, die Felder links und rechts bleiben gleich. Nur, dass jetzt zwischen Highway und Äckern schnurgerade Kanäle langlaufen. Wir sind im Central Valley, das auch der Fruchtgarten Amerikas genannt wird. Sechshundert Kilometer lang und achtzig Kilometer breit ungefähr. Vom Hinterland der kalifornischen Pazifikküste mit ihren Städten bis zu den Bergen der Sierra Nevada zieht sich das Tal, das etwa halb so groß ist wie die ehemalige DDR, und wo fünfzig Prozent aller Früchte, Gemüse und Nüsse der USA angebaut werden.

Werden hier auch Schulbusse angebaut?

Ab und an sehen wir große Schilder mit der Aufschrift „Farms need water“ – Farmen brauchen Wasser. In den USA gehört Landbesitzern auch das Nutzungsrecht am dazugehörigen Wasser, dieses Recht darf verkauft werden. Kalifornien mit seinem wenigen Niederschlag benötigt Unmengen von Wasser – Verteilungskonflikte liegen auf der Hand. Großinvestoren kaufen Farmland, um in Besitz der Wasserrechte zu kommen.

Der Blakeley-Canal im Central Valley

Eine kurze Recherche der Reiserin ergibt, dass am Blakeley-Kanal, wo wir lang fahren, viele kleinere Farmer beklagen, dass der Grundwasserspiegel, von dem sie abhängig sind, in den letzten Jahren unerklärlicherweise um mehrere Meter gesunken ist. Es besteht der Verdacht, dass zwei Agrarriesen, die hier produzieren, Wasser aus den Kanälen abpumpen, um ihre riesigen Produktionsstätten zu versorgen. Bewiesen – oder verhindert – werden kann das scheinbar nicht.

Auf unserer Fahrt sehen wir auch hier im demokratisch geprägten Kalifornien immer wieder Trump-Plakate. Vielleicht erhoffen sich gerade die kleinen Farmer von Donald eine Lösung für das Problem der ungleich verteilten Wasserressourcen.

Im Central Valley zerstoben auch die Hoffnungen der Jauds in Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“, merkt HerrBert an. Darin machten sich die Dürre-Flüchtlinge aus Oklahoma auf den Weg ins gelobte Kalifornien. Sie finden aber kein besseres Leben, sondern Ausbeutung, Hunger und Fremdenfeindlichkeit. Heute sind es zum Teil illegal Eingewanderte, welche in Kalifornien die Ernte einbringen. Bei Trumps geplanten Massenabschiebungen befürchten viele Firmen im Tal, dass dies ein Chaos in Landwirtschaft und verarbeitender Industrie nach sich zieht.

Central Valley

Hinter Le Grand biegen wir ab, die Felder verschwinden, die Landschaft wird hügliger und die Sierra Nevada kommt in Sicht.


Song des Tages: The Ghost of Tom Joad von Gabriel Sullivan

Wieviel hat sich eigentlich geändert in den knapp neunzig Jahren seit dem Erscheinen von Steinbecks Roman?