Eintrag zum 11. Januar 2025 – geschrieben am 13. Januar
Mariposa, 7°C
Die Nacht war kurz, als am Samstagmorgen der Wecker klingelt. Aber es hilft nichts, wir müssen unsere Sachen packen. Las Vegas verabschiedet uns mit strahlender Sonne und heftigem Wind, da passt es gut, dass HerrBert sich auf dem Weg noch einen Nationalpark State Park rausgesucht hat: den Red Rock Canyon. Doch auch ihm sitzt unser Abend im Casino noch in den Knochen, und wir bewundern die gewaltigen, dabei aber gar nicht mal so roten Felsen die meiste Zeit vom Auto aus.

Nach einer Stunde sind wir uns einig: das reicht jetzt. Einen kleinen Schlenker machten wir noch zu den „Seven Magic Mountains“. So heißt eine Land Art-Installation des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone, der 2016 am südlichen Rand von Las Vegas ein paar Felsbrocken zu Säulen aufstapelte und diese bunt bemalte. Seither kann er sich freuen, wie beliebt sie wurden. So sehr nämlich, dass sie nicht wie geplant, nach zwei Jahren wieder abgebaut wurden. Stattdessen wurde der Zaun, der darum herum gezogen war, entfernt, und jetzt stehen sie vielleicht bis in alle Ewigkeit dort.
HerrBert würdigte die ein wenig nach Kinderzimmer für Riesenbabys aussehenden Objekte kaum eines Blickes, fotografierte aber hingebungsvoll den einsamen Joshua Tree, der sich ein paar Meter dahinter gegen den Wüstenwind stemmte. Dann Weiterreise und Planung. Wir müssen jetzt nämlich mal festlegen, wohin wir überhaupt fahren. Das nächste gebuchte Quartier haben wir erst in drei Tagen im Yosemite-Nationalpark. Bis dahin steht freies Treibenlassen auf dem Programm.

HerrBert möchte gerne durchs Death Valley fahren und Frau Reiserin vielleicht den ruhenden Ubehebe Crater besuchen. Aber die Unterkünfte dort sind spärlich, für unsere Route ungünstig gelegen und nur durch sehr lange Fahrten zu erreichen. Wir entscheiden und für die südliche Strecke via Bakersfield. Viele Stunden fahren wir durch das leere kalifornische Hinterland. Frau Reiserin vertreibt sich die Fahrzeit mit Recherchen zur Frage: Was unterscheidet eigentlich einen Highway von einem Freeway und was kann eine Interstate, was eine Route nicht kann? Antwort: Ein Highway hat Ampeln und Kreuzungen, ein Freeway nicht. Interstate ist die Bezeichnung für überregional finanzierte und mehrere Bundesstaaten verbindende Schnellstraßen – es können Highways oder Freeways sein. Und Route ist ein Begriff für Interstates aus der Frühzeit der amerikanischen Autobahnen. Oder so ähnlich.

„Halt! Stopp! Road to Zzyzx!”, ruft sie plötzlich. Eher zufällig hat sie das legendäre Straßenschild gesehen. HerrBert wundert sich, dass sie weiß, wie man diese Buchstabenfolge ausspricht. „Saisiggs“, wiederholt die Reiserin auf Nachfrage. Sie hat sich kundig gemacht. So heißt ein verlassener Ort, der in den 1940er Jahren von einem Scharlatan als eine Art spirituelle Wellness-Oase gegründet wurde. Den Namen erfand er, damit er sagen konnte, es sei das letzte Wort im amerikanischen Alphabet. Heute ist dort nur noch eine winzige Zweigstelle der California State University und wir biegen nicht ab. Aber das Schild möchten wir doch gerne fotografieren und HerrBert fädelt sich widerwillig auf der Gegenfahrbahn ein.
Der Umweg lohnt sich. Er führt nämlich an der Ortschaft Baker vorbei, wo die Reiserin entzückt einen riesigen Betonstab ausmacht. Das größte Thermometer der Welt! „Danke, ich kann das Schild selbst lesen“, knurrt HerrBert. Ein paar Meter weiter weckt dann aber ein riesiges Gebäude in Form eines Ufos seine Aufmerksamkeit. „Alien Fresh Jerky“, steht daran. Ein Souvernirgeschäft mit stillgelegtem Hotel, das auf die Ufo-Sichtungen der nahegelegenen Area 51 anspielt. HerrBert, an sich kein Alien-Fan, erwirbt dennoch eine alienkopfförmige Blechdose mit Bonbons, die er im Lauf der weiteren Fahrt wegknurpselt. Der Hunger geht dadurch allerdings nicht weg, und so steuern wir kurz vor Bakersfield die nächstbeste In-n-Out-Zweigstelle an.




Dort geht unsere Bestellung offenbar verloren, was wir aber gar nicht merken, weil wir uns angesichts des rappelvollen Ladens auf längere Wartezeiten eingestellt haben. Nach einer knappen Viertelstunde auf dem Wartebänkchen kommt die blutjunge Filialleiterin mit entschuldigender Geste und einem Plastikkärtchen im Kreditkartenformat: „Sorry, Leute, für die Wartezeit. Als Entschädigung hier ein Gutschein für 8 Dollar!“ Das ist mal ein Kundenservice! Frau Reiserin, die eine Schwäche für Sonderbehandlungen hat, freut sich wie ein Schnitzel. Burger und Fritten, die dann auch gleich parat sind, munden wieder köstlich.
Unser Quartier, das wir von unterwegs gebucht haben, entpuppt sich als eine ausgebaute und zur Vintage-Tankstelle hergerichtete Garage neben dem Haus eines australischen Ehepaars. Das Outfit der Gastgeberin sowie die liebevolle Einrichtung machen sofort klar, dass es sich um eine Rockabilly-Frau mit ausgeprägter Dekorationsleidenschaft handelt. Sie arbeitet als mobile Krankenpflegerin und deswegen müssen wir morgen raus, bevor sie zur Arbeit fährt. Keinen Meter neben unserem Bett steht ein aufgeklappter Oldtimer – ihr Mann ist Schrauber. Obwohl es im zum Schlafzimmer ausgebauten Teil der Garage sehr gemütlich ist, schlafen wir schlecht. Frau Reiserin geht nach, was die Gastgeberin über Los Angeles erzählte. Ein Freund, Betreiber eines Plattenstudios, Rockabilly und Besitzer einer riesigen Sammlung an Artefakten und Platten aus den 1950er und 60er Jahren, hat durch das Feuer alles verloren. Nicht nur Objekte, sondern auch alle Originalbänder historischer Plattenaufnahmen. Kulturgut, das nie mehr wiederbeschafft werden kann.

Mehrere Gäste hätten diese Woche gefragt, wo man am besten die verbrannten Villen sehen könne, erzählt die Gastgeberin fassungslos. „Bitte fahrt da jetzt nicht hin“, habe sie gesagt. „Lasst die Leute in Ruhe. Warum muss man sowas extra sagen?“
Song des Tages: Space Oddity von David Bowie
Wenn einer nah dran war an den Aliens, dann Major Tom. Aber der von David Bowie, nicht der völlig losgelöste.
