Zweistöckiges Motelgebäude im Retro-Stil mit Balkonen, hellbeiger Fassade, weißen Geländern, Palmen im Hintergrund unter strahlend blauem Himmel

Eintrag zu Freitag, 3. Januar 2025 – geschrieben am 4. Januar

Fahrt von Palm Springs nach Joshua Tree, 17 Grad °C


Um es gleich vorweg zu nehmen: Das mit der Gondel in die San Jacinto Mountains wurde wieder nichts, und jetzt ist dieser Zug – oder die Palm Springs Aerial Tramway (dt. Luftstraßenbahn) wie sie hier heißt – für uns abgefahren.

Auch der zweite Morgen in Palm Springs war strahlend sonnig und schön. Während Frau Reiserin ihre täglichen Restaurierungsarbeiten vornahm, sie nennt es allerdings lieber „bin in der Maske“, streifte HerrBert begeistert durch die altmodisch charmante Bungalow-Anlage und fühlte sich mehr und mehr in die Ferienlager seiner Kindheit in der DDR zurückversetzt. Vielleicht, weil beide aus einer ähnlichen Epoche stammen.


Dann fahren wir los, gestärkt von einem der unvergleichlich dünnen, aber köstlichen Drip Coffees, die in der Lobby an die Gäste ausgeschenkt werden und wahlweise mit haselnuss- oder vanillearomatisierter Kaffeesahne geschmacklich perfektioniert werden können. Heute wollten wir nochmal einen Versuch mit der Gondelbahn machen. Das Navi zeigte freie Wege und wir steuern zur Talstation. Die paar Autos, die vor uns stehen, kann man nicht als Stau bezeichnen. Allerdings verhießt das bereits bekannte Schild wieder Wartezeit. Auf der Hinfahrt hatten wir uns geeinigt, dass 1,5 Stunden okay wären. Auf dem Schild standen aber leider 2 Stunden. Während wir auf das Vorangleiten der kleinen Warteschlange warteten, warfen wir eine Quartercent-Münze: Kopf für „Trotzdem hochfahren“, Zahl für „Dann eben nicht“.

Während die Münze sich in der Luft drehte, schüttelte sie das kleine, innere Drama von Frau Reiserin ab, bei dem sie am Vorabend eine Rolle gespielt hatte.

Die Reiserin hatte sich nämlich vorgenommen, an diesem Abend die Gästewaschmaschine des Hotels zu nutzen und war ganz begeistert, als sie diese frei vorfand. Der Augenschein ergab, dass es sich um die altmodische Variante mit dem mechanischen Münzschlitten handelte, in dessen acht Schlitze man ebensoviele Vierteldollarmünzen legen und den Schlitten dann in die Maschine schieben muss, um das Waschprogramm in Gang zu setzen. Leider enthielt unsere gemeinsame Barschaft aber nur sechs dieser Münzen.

Frau Reiserin steuert die Lobby an, um zu wechseln. Ohne Erfolg, da offenbar keinerlei Münzgeld zu diesem Zweck vorrätig war. Die nächste Möglichkeit, an Hartgeld zu kommen, befand sich drei Blocks weiter in einem 7eleven-Geschäft. Nun hatte sich HerrBert, der alleinige Fahrer unserer kleinen Reisegruppe, aber gerade zum wohlverdienten Ausruhen hingelegt und sollte nicht wieder aufgescheucht werden.

Spoiler: Gewaschen wurde dann am nächsten Tag

Frau Reiserin machte sich daher zu Fuß auf den Weg, stellte dann aber fest, dass der gesamte nächste Straßenblock unbeleuchtet und in der inzwischen dominierenden Wüstennacht stockdunkel war, sich auf dem Trottoir dafür ein Paar sehr lautstark und aggressiv stritt. Sie beschloss: irgendwie nicht der Ort, um nachts allein, ohne Telefon und nur in Badeschlappen langzulaufen. Also unverrichteter Dinge zurück ins Hotel und morgen nicht die neue Lieblingshose tragen, die sich zuunterst in der Schmutzwäsche befindet.

Aber jetzt ist ja ein neuer Tag und wir sind wieder bei der Talstation. Die geworfene Münze war zweimal auf die „Lassen wir es“-Seite gefallen, und so machten wir einmal mehr vor dem stoischen Wächter der Zufahrtsstraße die Biege. Dadurch gewannen wir ungefähr zwei Stunden. Schnurstracks lenkte HerrBert zum Besucherzentrum von Palm Springs.

Das Besucherzentrum von Palm Springs, eine Ikone der Midcentury-Architektur

Er wies auf ein altmodisches Plakat, auf dem ein von beeindruckenden Felswänden begrenztes, schmales Tal zu sehen war. Hier wollte er hin. Kurzes Kopfkratzen bei der Angestellten, dann konnte sie das Motiv lokalisieren: „Das ist in den Indian Canyons, der Andreas Canyon. Nur eine halbe Stunde von hier!“ Und so fuhren wir in Richtung Berge.

Palm Springs ist Teil eines Territoriums namens Agua Caliente, das dem indigenen Stamm der Cahuilla gehört und als Reservat gekennzeichnet ist. Das bedeutet, dass die indigenen Erstbewohner das Land bewirtschaften. Auch hier stand an der Zufahrtsstraße zu den Indian Canyons ein Häuschen, wo man den Eintritt von 12 Dollar pro Person zu bezahlen und zu bestätigen hatte, dass man keine Zigaretten wegwerfen wird, weil extreme Brandgefahr herrscht.

Auf dem Parkplatz ist ordentlich Betrieb. Darunter eine Vierergruppe von Landsleuten, erkennbar an offenen Outdoor-Sandalen, wie sie Amerikaner sehr selten tragen. „Wildlife, wie süüüüß!“ flötet eine der Deutschen, als sie eine Informationstafel entdeckt. Sie hat ihre Outdoor-Sandalen mit einem langen, wallenden Rock zum Wanderoutfit kombiniert, wodurch wir sie immer leicht ausmachen können. „Au Mann“, schimpft Frau Reiserin. „Das ist ungefähr so, als ob man `Mmmh, Essen, lecker`, ruft, egal, ob es eine schmierige Wurst oder ein frischer Salat ist“. Kann es sein, dass ihr erster Seniorenteller die Entwicklung zur Grumpy Old Lady mehr als nötig beschleunigt hat? Diese Frage müssen wir dringend im Auge behalten.

Jedenfalls stapft die Reiserin in einem Affenzahn in die schmale Schlucht, die als Andreas Trail und damit als die leichteste der drei möglichen Wanderrouten ausgeschildert ist. „Los, schnell, damit wir die Tröten nicht die ganze Zeit hinter uns haben.“ HerrBert beschließt, die Sache zu beobachten und wenn nötig einzugreifen.

Zwischen engen Steinschluchten und buschigen Palmen klettern wir entlang einem kleinen Fluss. Der Himmel ist inzwischen bedeckt, was das Wandern angenehm macht. In der Wanderschlucht ist ziemlich viel Betrieb, die Sandalencrew ist außer Sicht. Das ändert sich, als wir an einer Wegbiegung ankommen, die auf einem kleinen Steg über den Fluss führt. „Oh nee, da sind sie“, knurrt Frau Reiserin, als sie die fröhlich und lautstark flötenden Deutschen hört. „Jetzt lass mal gut sein“, entscheidet jetzt HerrBert, der allen Kreaturen, auch wenn sie Outdoorsandalen tragen und Unsinn quaken, freundlich gegenübersteht und keine Lust hat, sich die Laune verderben zu lassen. „Stimmt eigentlich“, die Reiserin kommt wieder in den Normalmodus.

Nach einem kleinen Anstieg erreichen wir eine wunderschöne Hochebene mit weitem Blick auf die Felsenketten der San Jacinto Mountains. Kakteen und allerlei andere Dornenpflanzen säumen den Weg. Die Luft ist frisch und mild. An einem riesigen Kaktus stauen sich die Wandernden, weil sie alle dasselbe Bild machen wollen: dahinterstehen, so dass man nur die Arme sieht. Ein paar Meter weiter die nächste Location: Palme vor Schlucht.

Ein paar Meter weiter kommt hier dann das beliebte Selfie-Motiv „Palme vor Schlucht“

Die internationale Fotografierendenfreundlichkeit ist auch hier zu finden: Sieht man zwei oder mehr Menschen, die versuchen, ein Selfie vor einer Landschaft zu machen, fragt man, ob man von ihnen ein Foto machen soll, worauf diese sich revanchieren. Eine schöne, verbindende Geste, die auch hier funktioniert.

Kurz danach ist der Rundkurs zuende, ein paar Meter geht es steinig bergab, dann sind wir wieder beim Auto. Ziemlich genau eine Stunde. So macht Wandern sogar der Reiserin Spaß.

Bevor wir nun in Richtung Joshua Tree National Park weiterfahren, müssen wir noch tanken. Unser Schiff ist durstig, das wussten wir, aber ein bisschen leer schlucken müssen wir dann doch, als wir sehen, wie teuer das Benzin in Kalifornien ist. An der Tankstelle, die nur einen kleinen Ausgabeschalter für Zigaretten und Getränke hat, spricht uns eine Frau mit tätowiertem Gesicht und müden Augen an. Sie erzählt etwas von ihrem Tank, der leer ist, und dass sie zwei Blocks weiterwohne. Ihre Stimme ist verwaschen, ein paar Zähne fehlen. Im Auto auf dem Beifahrersitz sitzt ein Mann, der ungefähr so aussieht, wie Hiphop-Gangster in Filmen. Er guckt finster und lässt die Frau nicht aus den Augen. Wir fahren zügig weiter.

Gerade noch vor Sonnenuntergang erreichen wir unsere Unterkunft für die zwei nächsten Tage. Sie liegt buchstäblich mitten in der Wüste und ist auf den letzten Meilen nur über eine Sandpiste zu erreichen. Alles ist perfekt gestylt wie ein Filmset und trotzdem gemütlich wie eine richtige Wohnung. Die Mikrowelle hat denselben Türkiston wie das Handtuch und der Retro-Plattenspieler, der in der Ecke auf einem Midcentury-Beistelltischchen steht. Reisen nach Art der Instagram-Generation.

Wir beschweren uns nicht, sondern setzen uns auf die Veranda, vor unseren Füßen der dornige Sand der Mojave-Wüste. Reines Glück.


Song des Tages: Rich Woman von Robert Plant und Alison Krauss

Ein tolles Stück, das uns an eine frühere USA-Reise erinnert. Dort sind wir extra einen mehrtägigen Umweg gefahren, um Robert Plant und Alison Krauss live zu hören – um dann zufällig zu erfahren, dass das Konzert abgesagt wurde. Und nein…bei der Reiserin handelt es sich nicht um eine solche.

Und hier, wie versprochen, unsere Wüsten-Playlist.