Sonnenuntergang über dem Meer mit verschwommenen Palmen im Vordergrund. Ein blaues Geländer mit leicht abgeblätterter Farbe ist im Vordergrund sichtbar

Eintrag zu Samstag 29. Dezember 2024 – geschrieben 30. Dezember

Glendale/Los Angeles, 16°C



„Sag mal, morgen haben wir noch kein Programm, oder?“, waren gestern die letzten Worte von Herr Bert. Frau Reiserin, in unserer kleinen Reisegruppe fürs Kontrollettitum zuständig, guckte sicherheitshalber nochmal nach. „Doch, auf dem Laufzettel steht, dass wir am Vormittag eine gebuchte Führung durch das Gamble House haben…“ Ach herrje, fast vergessen, dass das schon am ersten Tag ist. Um den Laufzettel wird es noch gehen. Er ist das organisatorische Herzstück der Reise, ohne ihn geht gar nichts. Auf dem Laufzettel steht nämlich Tag für Tag alles drauf, was an Buchungsnummern, Anfahrtsskizzen, Fahrdistanzen und sonstigen Informationen nötig ist. Damit wir uns so oft wie möglich treiben lassen können ohne in Stress zu geraten, weil irgendwelche Eckdaten unauffindbar sind.

Also war vorsichtshalber Weckerstellen angesagt. Unnötig, denn um kurz nach 4 Uhr früh riss lautlos, aber genauso wirkungsvoll, der Jetlag Frau Reiserin aus dem Schlaf. Draußen war es stockdunkel und schön still, Herr Bert schnurgelte noch ein wenig weiter.

Ein paar Stunden später brachen wir auf. Frau Reiserin, zum ersten Mal in L.A., ist ganz bezaubert von dem staubigen Winterlicht, das der Stadt eine gemächliche, melancholische Stimmung gibt. Zauberhaft sind auch die hübschen Häuser überall. Los Angeles ist eine Vintage-Stadt, der an fast jeder Ecke anzusehen ist, dass sie in den 1940er Jahren, als die Filmindustrie in Hollywood boomte, groß wurde.

Das historische Haus der Unternehmerfamilie Gamble (Procter & Gamble) liegt im wohlhabenden Pasadena. Es ist ziemlich kurios und eine Ode sowohl an die Handwerkskunst – ausgebuffte Holzkonstruktionen, durch die das Haus drei Erdbeben und einen verheerenden Wirbelsturm unbeschadet überstanden hat – als auch ans Kunsthandwerk – Intarsien aller Art, Tiffany-Glasschirme ohne Ende und handbestickte Sitzpolster an den Esszimmerstühlen. Es wurde 1909 von den Gambles als Winterfrische bezogen. Dabei war es mit ausgeklügelten Belüftungs-, Kühlungs- und Kommunikationssystemen seiner Zeit weit voraus.

Den Rest des Tages cruisten wir durch die Stadt und klapperten einige der Sehenswürdigkeiten ab, die wir uns rausgesucht hatten – mit gemischtem Erfolg.

Die Skulptur der übermenschengroßen Gabel, die auf einem kleinen Platz in Pasadena steht und ein super Fotomotiv hergeben sollte, entpuppte sich als unscheinbare Konstruktion auf einer Art Verkehrsinsel. Die surreal anmutenden, in große Eierformen eingefügten Gesichter von realen Bewohnern der Stadt, die in einem Reiseführer als Kunstwerk auf „L.A.s erster Verkehrskreisel“ aufgeführt waren, stellten sich in der Realität als eine Art Minibrache unter einer Autobahnbrücke an einem entlegenen, trostlosen Winkel dar.

Eindrücklicher ist das Holzhäuschen, in das Michael Jackson mit seinem Date im Video von „Thriller“ vor den grunzenden Zombies flüchtet. Es steht in einer etwas abgeschabten Wohngegend am Rand der Innenstadt und wirkt ziemlich verfallen. Im Garten werkelte ein älteres Ehepaar im Garten und ließ sich auch nicht stören, als kurz nach uns eine Gruppe junger Männer im L.A. Gangsterstyle aus einem Auto stieg, um das Haus aufgeregt im besten Winkel zu fotografieren.

Downtown wollten wir uns das Kunstmuseum „The Broad“ ansehen. Der Eintritt ist kostenlos, Tickets müssen aber online gebucht werden. Da wir dies nicht gemacht hatten, stellten wir uns auf gut Glück in die „Stand By“-Schlange, angekündigte Wartezeit etwa 40 Minuten. Nur Fünf Minuten später standen wir dann schon entzückt vor Jeff Koons blauglänzendem Ballonhund und Andy Warhols Früh- und Hauptwerk. Darauf folgte die zweite Begegnung mit Michael Jackson heute: auch Koons‘ Plastik von Jackson mit seinem Affen Bubbles ist hier ausgestellt. Was wir eindrücklich fanden: Sehr viele Leute waren mit Kind und Kegel und Großfamilie unterwegs, die unterschiedlichsten Kulturen vertreten, die Atmosphäre war lebendig, keine Spur von Kulturtempel.

Dunkel wird es in Los Angeles im Dezember schon kurz vor 5 Uhr abends. Genau zu der Zeit kamen wir über die Melrose Avenue und den Sunset Boulevard nach Hollywood. Blinkende Lichter, Glitzer und Rambazamba überall. Auf den Trottoirs Vergnügungspublikum in großen Pulks und nirgendwo ein freies Parkplätzchen für den RAM. Also weiterfahren und fürs Abendbrot einkaufen. Diesmal beim Alternativsupermarkt „Trader Joe’s“, der der Aldi Nord-Gruppe gehört. Vor der Filiale in Hollywood sind die Sterne der Filmberühmtheiten in den Boden eingelassen, so dass die Kundschaft mit ihren Einkäufen ungerührt über Clark Gable und Co. latscht. Gibt es auch nur hier.

Song des Tages: Los Angeles von Frank Black

Das ist die erste Single des Pixies-Frontmann auf seinem Solo-Debüt 1993. Der Song handelt nicht wirklich vom realen Los Angeles, sondern eher von einer dystopischen Version davon in 2525, oder von einem ähnlichen Ort in Chile. Die Interpretationen zu seinem Text sind da vielfältig. HerrBert mag den Song besonders wegen der Wechsel zwischen Accoustic- und Krachelementen.