Rundes Londoner Underground-Schild mit rotem Rand und blauer Schrift 'UNDERGROUND', vor einem modernen Gebäude bei Nacht.

Eintrag zu Mittwoch, 27. Dezember 2024 – geschrieben am 28. Dezember

Flug von Berlin nach London, 13°C



Kaum war Weihnachten vorbei, brachen wir gestern früh also in Berlin auf. Dichter Nebel lag über der Stadt. Es war schon ein kleiner Gruß aus London – knapp zwei Flugstunden später landete das Flugzeug nämlich im scheinbar gleichen Nebel. Aber als ob das Bühnenbild mit einer kurzen Drehung komplett ausgetauscht worden wäre, fanden wir im Nebel dann eine völlig andere Stadt vor.

Auch London war gerade aus den Feiertagen aufgetaucht und grüßte mit Baustellen, Verkehrsänderungen und Umleitungen – inklusive Ausfall aller gängigen Schnellverbindungen vom Flughafen in die Stadt. Der Expresszug von Heathrow in die City fuhr schon mal gar nicht. Die U-Bahnlinie die wir uns alternativ dazu vorher rausgesucht hatte, findet ebenfalls bis Ende Jahr nicht statt: Man nutzt hier die weniger frequentierten Feiertage, um zu hämmern, zu bohren und zu reparieren. Freundliche Angestellte, die in großer Zahl überall herumstehen, erklärten uns, wie wir trotzdem an unser Ziel, den Bahnhof Paddington in der City, kommen können. Nämlich mit U-Bahn-Linien, deren Züge noch weniger auf Reisende mit Gepäck ausgelegt sind als, sagen wir, die Wagen der Deutschen Bahn. Wir checkten das Guthaben auf unseren Oyster-Cards und los gings. Jetzt waren wir froh, ohne Koffer unterwegs zu sein. Diese sind bis LA durchgescheckt. Ob sie dort dann wirklich nach mehr als 24 h Reisezeit aufs Gepäckband purzeln, werden wir sehen…

The Real Doner Kebab from Germany

In unserem Quartier in Paddington warfen wir unser Handgepäck ab, machten uns kurz frisch und suchten die Busstation, die uns zur Tate Britain bringen soll. Wir hatten uns nämlich eine Fotoausstellung über die 80er Jahre in Großbritannien ausgesucht. Den Bus fanden wir dann – direkt gegenüber einem Imbiss, der mit „Real German Döner“ warb.

Die Tate Britain ist ein weitläufiges Museum für hochrangige zeitgenössische Kunst. Schon am Eingang des neongriechischen Baus stehen unübersehbare Banner, die darauf hinweisen, dass hier Kunst „für alle kostenlos“ ist. Ist sie auch, bis auf die Spezialausstellungen, zu der auch unsere favorisierte Fotoausstellung gehörte. Da wir nur noch eine Stunde Zeit hatten, berieten wir kurz, ob uns das die 22 Pfund (rund 25 Euro) Eintritt pro Person Wert ist. Herr Bert war für ja, Frau Reiserin war sich unsicher. Die junge Frau an der Kasse machte der Diskussion ein Ende, steckte uns mit verschwörerischem Zwinkern und dem Hinweis, „ist ja heute nicht viel los“ die Tickets umsonst zu. Thank you, London!

Die Ausstellung war riesig, thematisch sehr interessant, aber erschöpfend unspezifisch. Es ging um die fotografische Darstellung des gesamten Jahrzehnts. Weil es geprägt war von Maggie Thatchers neoliberaler Kahlschlagpolitik sowie einer Hochphase von Rassismus und Immigrationsfeindlichkeit, dokumentierten sehr viele Bilder Demonstrationen, Ausschreitungen und Kämpfe zwischen Polizei und Teilen der Bevölkerung. Weitere Schwerpunkte waren die Repräsentation von Schwarzen Menschen sowie die bizarre Ästhetik der gesellschaftlichen Oberschicht, die in England eine zentrale Rolle spielt.

Diese Statue heißt „Jeté“, geschaffen hat sie der Künstler Enzo Plazzotta.

Dann waren wir platt und brauchten Essen. In einem prächtigen Pub neben dem Victoria Theatre genehmigte sich Herr Bert die lokale Spezialität „Bangers and Mash“, was sich als drei urige Würstchen mit Kartoffelbrei und brauner Bratensauce entpuppte. Frau Reiserin setzte auf den Klassiker Fish&Chips.

Jetzt war Zeit für den Sky Garden. Von unten sieht das Gebäude, auf dessen 35. Etage diese Location liegt ungefähr aus wie ein altmodisches Autotelefon aus Glas – einer dieser riesigen gekrümmten Knochen, die sich einst nur die ganz wichtigen Menschen leisten konnten. Oben spielte eine Band mit stark übersteuertem Schlagzeug Coverversionen von R’n’B-Charthits und der Hinweis der Veranstalter, dass es „etwas frisch“ sein könne, erwies sich als komplett berechtigt. Dagegen half das kleine Tässchen Glühwein, das wir uns im Vorfeld reserviert hatten, nur kurzzeitig. Frau Reiserin hatte den Wunsch, einer der weißen Plastikpokale zu entwenden, in denen andere Gäste den vorbezahlten Champagner kredenzt bekamen. Funktionierte aber nicht, weil die Kellner tierisch aufpassten.

Leider war am Abend auch die Aussichtsterrasse geschlossen. Das war allerdings nicht so schlimm. Denn – der Nebel vom Morgen hatte sich bis zur Nacht nicht verzogen, und als wir den Sky Garden betraten, war die erste Frage: „Ist das Milchglas oder Nebel?“

Song des Tages: I want Gold von The Blinders

Das letzte Mal in London sind Frau Reiserin und Herr Bert zufällig in das Konzert dieser Band geraten und waren sehr begeistert.

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