Horizont mit mehreren hohen, stacheligen Kakteen vor einem orange-blauen Abendhimmel

Dass wir heute lange fahren, wussten wir: Von Mulegé zurück über Loreto, dann bis Ciudad Constitución, dort scharf rechts abbiegen und quer über die Halbinsel bis zum Pazifik. Aber dass es so lange sein würde, stand nicht auf dem Plan.

Puerto San Carlos war unsere nächste Destination, dort wollte HerrBert mit Speerfischen schwimmen, die hier Marlins heißen. Das Hotel, deren Betreiber gleichzeitig die Touren anbieten, hatte er ausnahmsweise nicht über ein Buchungsportal reserviert, sondern via E-Mail. Die Herberge schien einfach, aber die Bewertungen waren gut und vor allem Hobbyfischer lobten sie in höchsten Tönen.

Die Sonne steht noch hoch am Himmel, als wir, nach einer halbstündigen Fahrt quer durch das auch nach mexikanischen Verhältnissen sehr karge Innland an der Pazifikküste ankommen. Ein Straßenschild heißt uns willkommen, doch dann führt erstmal eine staubige Piste in scheinbar endlos weitem Bogen an einem Industriehafen vorbei. Quasi von hinten rollen wir Puerto San Carlos auf. Die Reiserin bleibt ausnehmend wortkarg, als wir durch das verlassen scheinende Industriegelände rumpeln. Rohbauten und halbfertige Hafengebäude scheinen schon sehr lange still zu stehen. Menschen und Autos sind kaum zu sehen. Sogar die auffallend vielen wilden Hunde, die im Rudel herumstreunten, wirken besonders vierschrötig. „Da hat mal einer viel vorgehabt“, murmelt HerrBert, ebenfalls etwas betreten. „Ist dann aber wohl nichts geworden.“ Als schließlich der bewohnte Teil des Dorfes anfängt, wird der Ort nicht freundlicher. Heruntergekommene Häuser, noch mehr streunende Hunde, kaputte Zäune, halbverfallene Hütten und ganz hinten an der Straße das Hotel, das auch nicht übermäßig einladend wirkte. So fangen Filme an, die nicht gut enden. Und bestimmt kein Ort, um gemütlich zu Fuß herumzuschlendern. Oder sind wir schon tourismusverseucht und ertragen kein authentisches Fischerdorf?

HerrBert murmelt, dass jetzt wohl eine Entscheidung anstünde, ob wir vor dem Hotel anhalten oder weiterfahren. Und dann, nach einer sekundenkurzen Pause: „Wir fahren weiter“. Daran schließt sich allerdings die drängende Frage an: wohin? Die nächste Siedlung ist der Durchfahrtsort Ciudad Constitución, danach kommt sehr lange gar nichts. Und in ungefähr einer Stunde wird es stockdunkel sein. Eigentlich stünden hier zwei Tage auf dem Programm, danach wollten wir durch die Sierra de la Laguna über den kleinen Bergort El Triunfo an das Pueblo Mágico Todos Santos an der Pazifikküste, bevor es dann wieder nach Los Cabos und dann nach Hause zurückgeht.

Im Schritttempo cruist HerrBert durch den verfallenen Fischerort, dann entscheidet er: La Paz. Zwar liegt die Hauptstadt fast drei Autostunden südlich, aber dort haben wir die Chance auf ein bequemes, einladendes Hotel. Und genau das braucht er jetzt. „Such was raus“, sagt er zur Reiserin, die hektisch im Handy scrollt. Denn gerade haben wir mal LTE-Netz, aber wie lange noch? Auf dem ganzen Weg hierhein war gar kein Signal oder höchstens mal für einen Kilometer 3G. Hektisch daddelt die Reiserin. Nur wenige Optionen für heute Abend. „Was soll´s“, meint HerrBert und wählt das exklusivste. Es liegt nördlich von La Paz in der Nähe des Strandes El Tecolote, wo wir vor einer Woche, die uns viel länger her scheint, gechillt und die mexikanische Blasmusikkapelle gehört haben.

Die nächsten Stunden pesen wir durch die stockdunkle Wüste. Als wir kurz vor acht abends in La Paz ankommen, kommt uns die heiter leuchtende Stadt vor wie eine alte Bekannte. Schon auf der Fahrt haben wir beschlossen, dass wir vor dem Einchecken nochmal in das urige Outdoor-Fischrestaurant gegenüber unserer ehemaligen Vintage-Wohnung einkehren. Wie lange das alles schon her scheint! Gleich vor der Stelle, wo uns neulich fast die Polizei abgeschleppt hätte, finden wir einen Parkplatz, der Fisch schmeckt so köstlich wie das letzte Mal und der Malécon, auf dem wir dann in Richtung Hotel fahren, glitzert freundlich und friedlich. Und heute, ohne die wummernde Wochenendstimmung wirkt er erstaunlich ruhig.

Den Rest des Abends saßen wir auf der Terrasse, freuten uns über die Aussicht, die gleichzeitig die Sea of Cortez und den beleuchteten Hotelpool zeigt, genehmigten uns den guten André, den es erfreulicherweise auch in Mexiko gibt, und HerrBert entspannte sich von den über 600 Kilometern, die er heute heruntergerissen hat.

Flasche Sekt in einem Eiskübel, daneben zwei Gläser mit bernsteinfarbenem Getränk, im Hintergrund Palmen und ein beleuchteter Pool
Richtige Entscheidung

Die Rechnung ging auf. Wir erholen uns bombig und heute Morgen grüßt wieder das Meer vor unserem Fenster. Wir schicken Sonne aus Mexiko!

Song des Tages: Fuego A la Escondida (Bolero) von Julión Álvarez y su Norteño

Banda

Unterwegs aufgefangen, der authentische Sound von Mexiko

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