Herzlich Willkommen im Oktober. Wunderschön ist das Herbstlicht, das in das Arbeitszimmer fällt. Wenn es bloß nicht schon wieder so kühl wäre draußen. Und das dann für sechs bis sieben Monate so bleibt und immer nur noch kälter wird.
„Genau darum wollen wir ja im November wegfahren“, erinnert HerrBert. Wir widmen uns, wie jedes Jahr, gerade der Frage: wohin? Hauptproblempunkt: Es soll nicht weiter weg sein als nötig. Je länger die Flugreise, desto länger sollte man bleiben. Für HerrBert kein Problem, er hat, wie in jedem Jahr, schon genügend gearbeitet und Urlaub geht immer. Für die Reiserin nicht ganz. Zwar kann sie ihr Tagwerk meist auch von unterwegs verrichten. Aber das macht keine Laune, wenn HerrBert im ausgedehnten Urlaubsmodus ist und sie Dinge zusammen mit ihm unternehmen möchte. Darum lieber ein paar Tage kürzer, dafür ohne Arbeit. Und so fern, dass es dort zuverlässig warm ist.

„Damit fällt Europa schon mal weg“, konstatiert HerrBert. Wie jedes Jahr. Doch die Reiserin ist grundlegend anders verdrahtet. Irgendetwas drängt sie an diesem Punkt jedes Jahr von Neuem die ganze Weltkarte abzuklappern. In der Hoffnung, vielleicht doch irgendwo noch ein unbekanntes Eckchen zu finden, wo es im November zuverlässig mindestens 25 Grad Celsius hat, man aber nicht zwölf Stunden hinfliegen und drei Wochen bleiben muss. Bis sie fündig wird, schlägt HerrBert schon mal Bali vor. Findet die Reiserin gerade zu weit weg und zu teuer. Er schlägt Thailand vor. Findet die Reiserin zu weit weg und irgendwie zu anstrengend. Er schlägt Fuerteventura vor. Findet die Reiserin langweilig und womöglich nicht warm genug. Er schlägt vor, die Sache zu vertagen, bis sie auf der Weltkarte irgendeinen bisher unentdeckten Ort gefunden hat, der ihr in den Kram passt.


Wir vertagen die Entscheidung. Womöglich geht HerrBert im November dann doch arbeiten und wir fahren im Februar in die Wärme. Wohin? „Ägypten“, sagt die Reiserin im Scherz, „all Inclusive“. Für einen kurzen Moment sind wir uns einig. Von allen unseren bisherigen Fluchten in die Wärme war Ägypten in einem schmucken all-inclusive-Resort vielleicht der größte Flop. Außer dreimal pro Tag zum Monsterbuffet zu schlurfen und sich besinnungslos zu essen, gab es für uns da so gut wie nichts zu tun. War einfach zu fremdartig, zu langweilig, zu düster, zu steinig. Und am Pool jede Sekunde zu kalt. Mal abgesehen von all den anderen Widrigkeiten, mit denen wir davor nicht gerechnet hätten. Lediglich der Umstand, dass HerrBert bereits am ersten Abend Freundschaft mit dem Kellner in der All-inclusive-Bar schloss und danach immer schon zur Begrüßung kommentarlos der Gin Tonic auf dem Tisch stand, tröstete uns. Und die zauberhafte Begegnung mit dem treuherzigen Mustafa, von der wir hier schon mal erzählt haben.
Irgendwann berichten wir vielleicht, warum nach HerrBerts Geburtstagsessen die ganze Belegschaft des fake-italienischen À-la-carte-Restaurants in Makadi Bay sauer auf uns war (Spoiler: HerrBert wollte am Tisch nicht das lautstarke all-inclusive Geburtstagsständchen gesungen bekommen), warum am Ende einer geführten Tour zu den Sehenswürdigkeiten von Hurghada sämtliche Verkäufer eines von der Regierung betriebenen Kunsthandwerksmarkt sauer auf uns waren (Spoiler: Wir hatten davor, um endlich den Laden verlassen zu dürfen, all unser Geld im vom Cousin des Nachbars seinem Bruder des Halbschwagers vom Guide betriebenen, fast zufällig am Weg liegenden Gewürzgeschäft für mehrere Kilo Hähnchengewürz ausgegeben und keine Hände mehr frei).

Dann erzählen wir vielleicht auch von den aus der Überdecke unseres Bettes gefalteten Kreaturen, die uns – etwa so heiter wie ein Pferdekopf im Mafiafilm – im Zimmer empfingen, wenn wir dem Putzpersonal am Morgen nicht genügend Trinkgeld dagelassen hatten. Und vielleicht sagen wir sogar, wie es zu den verstörenden Souvenirfotos kam, auf denen HerrBert scheinbar an Frau Reiserins aufgerissenem Unterkiefer baumelt oder gerade im Begriff scheint, sie mit einem riesigen Felsbrocken zu steinigen, während sie ihm flehend die Arme entgegenstreckt (Spoiler: Das verstand der fröhliche Guide beim Ausflug mit dem Wüstenbuggy unter „Give me your camera, I take fun pictures of you“).

In der Frage, wo wir im November ein bisschen Wärme finden können, sind wir damit für den Moment leider noch keinen Schritt weiter. Doch das wird. Wir bleiben dran. Habt ihr Tipps? Schreibt sie uns an: ortskenntnis (at) web (punkt) de
Song des Tages: Sonnendeck von Peter Licht
Ist das wirklich schon 24 Jahre her?
