Zum letzten Mal auf dieser Reise erwachten wir unter der nevadischen Wüstensonne. Minutiös waren die nächsten knapp zwei Stunden geplant, denn um Punkt 11 musste der Straßenbär in Las Vegas in der RV-Vermietung auf Posten sein, sonst Stress. Und zwar aufgetankt, mit frischem Propan gefüllt und auch sonst in tadellosem Zustand. Um kurz vor neun brausten wir los, um kurz nach zehn hatten wir Las Vegas und eine Tankstelle erreicht, die einigermaßen preisgünstig schien und außerdem Propanservice anbot. Das kann man nämlich nicht selbst machen. „Ich arbeite hier schwer für mein Trinkgeld, Schätzchen“, knarrte die Tankwartin, als sie ächzend in die Knie ging, um den Schlauch anzuschließen. Aber der Wink mit dem Zaunpfahl war überflüssig, denn die Reiserin hatte bereits den Fünfollarschein als Trinkgeld griffbereit. „Oh, ihr habt ja kaum was verbraucht“, wunderte sich die Tankwartin. Das erstaunte uns, denn wir hatten ja praktisch jeden Tag mit dem Propanherd gekocht. So kostete das Nachfüllen gerade mal 7 Dollar, und die Tankwartin freute sich über das Trinkgeld.

Wie schon bei der Abholung, war in der RV-Zentrale großer Betrieb. Reisende und ihr Gepäck warteten auf den Aufruf, um entweder ihr Gefährt in Empfang zu nehmen oder es abgenommen zu kriegen. Beide Gruppen scharten sich irgendwann um den kleinen Grabbeltisch, der am Eingang aufgestellt ist: Die Neuen können sich dort an dem bedienen, was die Rückgebenden zuviel gekauft und nicht aufgebraucht haben. Von leicht löslichem Toilettenpapier über Gewürze und Konserven bis Kehrblech und Tischdecken ist dort alles zu finden. Auch wir hatte uns am Anfang dort eingedeckt. Nun brachten wir das Salz, den Pfeffer, ein paar der Küchenrollen und allerhand Dinge, die wir selbst zuviel gekauft hatten, dorthin zurück, auf dass es anderen Campern von Nutzen ist.
Und dann standen wir da in der brütenden Sonne am Stadtrand von Las Vegas und unser Uber kam nicht. Noch zwei Minuten sollte die Fahrt dauern, aber auf der Karte bewegte sich sein Wagen nicht mehr und die zwei Minuten waren schon fünf Mal verstrichen. Auf einen Anruf reagierte der Fahrer nicht, und so bestellte HerrBert ihn kurzerhand ab, während die Reiserin die Fahrt neu buchte. Das war ein Glücksgriff. Nach wenigen Minuten holte ein Mann mittleren Alters der Sorte „hart aber herzlich“ uns ab und knarrte „Ich geh mal davon aus, dass ihr gerade euer Wohnmobil zurückgegeben habt, und nun in die Stadt wollt, richtig?“ Genaus so ist es. Um zu prüfen, ob wir komplett blöd sind, fragte er scheinheilig noch, wo wir hinwollten, und die Reiserin gab dieselbe Auskunft, die sie auch schon bei der Bestellung eingetippt hatte: Zu einer Unterkunft in der Nähe des Strips, die HerrBert zur Feier des letzten Abends gebucht hatte. „Ist aber kein Hotel“, knarrte unser Fahrer. „Ist ein Apartmenthaus. Was wollt ihr denn da?“ Na, den Pool nutzen, der zur Unterkunft gehört, sagten wir, und jetzt wurde der Fahrer gesprächig. Ja, das Haus sei nicht schlecht, und der Pool auch. Er habe nämlich dort fast auch mal ein Apartment gekauft, bevor er es sich anders überlegte.

Als er uns Deutsch sprechen hörte, fragte er, woher wir kämen, und verkündete dann: „I am German, too.“ Woher?, fragte die Reiserin freundlich. „Keine Ahnung“, sagte der Fahrer. „Mein Urgroßvater ist nach Amerika gekommen, ich hab mein ganzes Leben hier verbracht. Der andere Teil der Familie ist finnisch.“ Aha. Munter plätscherte das Gespräch, dann wollte er wissen, warum wir überhaupt nach Amerika gekommen seien. Die Reiserin schwadronierte etwas von den wahnsinnigen Landschaften und der Schönheit und Größe des Landes. „Na ja, viele wollen gerade nicht kommen, seit dieses“ – hier benutzte er ein Fäkalwort – „hier am Ruder ist“. Was sagt man darauf? Wir manövrierten durch die Klippen eines politischen Gesprächs mit einem Einheimischen, aber man verstand sich auch ohne Worte.
Kurz bevor wir an unserem Apartment hielten, das nur fünf Minuten Fußweg vom Strip sozusagen an der Rückseite dieser Hauptader liegt, wies er noch auf eine verkrumpelte Tankstelle. „Gleich dahinter ist ein gutes Casino. Da gehen die Einheimischen hin und das Essen ist sehr gut.“ Wir sahen allerdings nur eine Baustelle.
Kaum im Apartment angekommen, warfen wir uns ins Badeoutfit und legten uns an den Pool. Die Sonne brannte, das Wasser kühlte und schöner konnte dieser Nachmittag nicht sein.

Gegen Abend machten wir uns auf, ein Steak zu suchen, das HerrBert gerne verspeisen wollte. Wir spazierten zum Strip, bewunderten die Wasserfontänen im Bellagio, die zufällig gerade losgingen und wollten ins Paris, Paris. Aber irgendwie war uns das alles zu touristisch und so schlurften wir etwas unmotiviert durch die extrem weitläufigen, aber immerhin gekühlten künstlichen Welten der Hotels.

Schließlich landeten wir wieder im „Binion`s Horseshoe“, was fast bei uns an der Ecke liegt – und entschieden uns, dem Einheimischentipp des Taxifahrers eine Chance zu geben. „Ellis Island“ heißt das Casinohotel, und von Glamour und Rambazamba ist es schon dann weit entfernt, wenn es nicht, wie jetzt gerade, umgebaut wird und eine Baustelle ist. Von freundlichen Mitarbeitern und vielen Schildern geleitet, durchquerten wir darum unzählige Gänge und Hintertüren, bis wir schließlich am Casino und dem angeschlossenen kleinen Restaurant landeten. Es bot keinerlei Fenster nach außen und sah in seiner Patina aus, wie aus einer Sitcom der 1990er Jahre – famos! Wir bekamen sofort einen kleinen, kuscheligen Tisch und HerrBert schwenkte spontan auf den großen Rippchenteller um. Und was soll man sagen? Er wurde nicht enttäuscht. So verbrachten wir einen bezaubernden Abend und fühlten uns, immerhin nicht unser erster Besuch in Las Vegas, schon ein wenig mehr wie Insider.

Jetzt noch kurz ein letztes Sektchen auf dem Balkon, und dann ist Zapfenstreich. Morgen früher als früh kommt das Taxi, und bringt erst HerrBert und dann die Reiserin an den Flughafen, wo sie – aus Planungsgründen auf unterschiedlichen Routen – nach Hause fliegen.
Bis sehr bald in Berlin!
Song des Tages: Dreams von Fleetwood Mac
Dieses Stück spielte eine Coverband in irgendeinem der vielen Restaurants auf dem Strip. Vor der Bühne tanzte ein Paar energisch, aber nicht besonders begabt, den Discofox, aber wir verzichteten darauf, uns in der Reihe anzustellen, und gaben stattdessen dem Einheimischencasino eine Chance.
Was bisher (und danach) geschah: hier
