Heute Morgen um 8.30 Uhr im Straßenbär: 10 Grad Celsius, die zweite Decke irgendwo runtergerutscht, Boden eiskalt, draußen bläst der Wind, und die Wettervorhersage kündigt Maximaltemperaturen von 11 Grad Celsius an – trotz Sonnenschein. Wir hatten nämlich eine Kleinigkeit bei unseren Reisevorbereitungen glatt übersehen. Der Bryce Canyon Nationalpark, wo wir uns seit gestern Abend befinden, ist berühmt für seine spektakulären Felslandschaften mit unglaublichen Farben. Und er liegt ziemlich hoch, nämlich zwischen 2500 und 2800 M.ü.M. Das erklärt schon mal den Wind. Und dann hätte man noch wissen können, dass an etwa 200 von 365 Tagen die Temperatur nachts unter den Gefrierpunkt fällt. Tat sie heute Nacht auch. Da hilft es nicht viel, dass der Straßenbär warme Luft ins Wohnzimmer und auch ins Bad pusten kann. Zwar war es gestern Abend, als der ebenfalls äußerst häufig auftretende Starkregen aufs Dach trommelte, im Innern kuschelig warm. Aber wir wollten nicht bei angelassener, laut rauschender Heizung schlafen, und darum war heute Morgen auch unser körperliches Befinden unter dem Gefrierpunkt.

Ein bisschen eierten wir noch herum, brieten aus Verzweiflung erstmal Luxusfrühstück, dann gestanden wir es uns ein: Bei aller Liebe – Schnauze voll von Canyon und Nationalparks. Geplanter Besuch im Zion Nationalpark ersatzlos gestrichen, weil keine kurzfristigen Stellplätze verfügbar. Voranmeldungszeit 6-12 Monate. „Lass uns einfach jetzt schon in Richtung Las Vegas fahren“, murmelte HerrBert schließlich über den von der Reiserin gegen die Kälte gebratenen Hash Browns. Ein klein wenig irritiert war er über ihr sofortiges, begeistertes, „Ja! Genau! So machen wir es!“. War sie am Ende doch gar nicht so eine superbegeisterte Camperin und Wanderin, wie sie in den letzten Tagen den Anschein zu erwecken verstand?
Der Kompromiss: Erst fahren wir noch mit dem im Parkeintritt inbegriffenen Gratisshuttle die Runde durch den Bryce Canyon Nationalpark, steigen am einen oder anderen der Aussichtspunkte aus, und dann war es das.

So sahen wir doch noch ein paar spektakuläre Felsformationen und spazierten ein kleines Stück auf dem „Rim Walk“, der wirklich direkt und ohne jede Sicherung an der Abbruchkante entlangführte, was bei dem sehr böigen Wind irgendwie mutwillig wirkte. Doch dann waren die Knochen wieder durchgefroren, und außerdem schlug uns beiden – aufgrund von vorhandener Bergerfahrung völlig überraschend – die Höhe auf die Atmung, und wir keuchten wie zwei mittelalte Dampflocks.

Darum kurz bei einem vielversprechend wirkenden RV-Platz an der Grenze von Nevada angerufen, für zwei Nächte gebucht, und dann quer durch das weitläufige Utah in Richtung Las Vegas gebraust. Übermorgen Vormittag müssen wir dort nämlich den Straßenbär abgeben und dann noch einen knappen Tag herumbringen, bevor wir am nächsten Morgen früh in Richtung Heimat zurückfliegen.

Und so sind wir vorhin in einem Ort namens Mesquite angekommen, haben uns sofort glücklich die drei Wetterschichten vom Leib gerissen, weil Nevada uns mit seinen auch in der Dunkelheit noch 25 Grad Celsius begrüßte. Der HerrBert sitzt nun im T-Shirt vor dem RV am Tisch und schält Kartoffeln für unser heutiges Leibgericht Kartoffelbrei mit Würstchen. Die letzte Etappe unserer Reise hat begonnen und wir freuen uns auf den Tag morgen in der Wärme.

Warme Abendgrüße aus Mesquite!
Song des Tages: God Out West von Link Wray
Hört HerrBert gerade beim Kartoffelschälen. Der Gitarrist Link Wray wuchs in Arizona auf und stammte von Native Americans ab. Er hatte großen Einfluss auf den Surfsound und diverse Rockabilly-Revivals.
Was bisher (und danach) geschah: hier
