Zwei parallele Stahlbogenbrücken über eine tiefe Schlucht in einer felsigen Wüstenlandschaft

„Heute haben wir gar nichts erlebt“, sagte HerrBert, als er vorhin den Straßenbär in Position gebracht und an den Strom unseres heutigen Standplatzes angeschlossen hat. „Wir sind ja bloß gefahren.“

Auf dem Weg zum Bryce Canyon NP

Damit liegt er nicht ganz falsch. Von Page, wo wir die letzten Tage waren bis in den Bryce Canyon Nationalpark sind es rund 320 Kilometer, wir überquerten – diesmal nicht nur für ein paar Minuten – die Grenze nach Utah und fuhren in Richtung Nordwesten. Erstaunlich war, wie grundsätzlich sich in diesen knapp 5 Stunden Fahrt die Landschaft veränderte. Sobald wir die roten, bizarr geschichteten Sandsteingebirge hinter uns ließen, wurde es steil. Dann kamen wir in die weite Ebene des Kaibito-Plateaus, wo es genauso aussah wie in alten Westernfilmen.

Navajo Bridge über den Colorado River

Den ersten Halt machten wir an der Navajo Bridge. Dieses spektakuläre Bauwerk überspannt seit 1929 den Colorado River: eine Doppelbrücke aus Metallstäben, eine für Autos und eine für Fußgänger. „Die erste haben sie von beiden Seiten her gebaut“, wusste HerrBert. „Die vom Westen waren aber zweieinhalb Monate schneller fertig als die von Osten. Da mussten sie warten. Die zweite Brücke wurde erst 1994 gebaut.“ Die Reiserin lässt es sich nicht nehmen, einmal rüber und zurück zu laufen, und murmelt dabei irgendwas davon, dass das ihrer Seele gut täte und ihr inneren Frieden brächte. HerrBert stöbert währenddessen im Gift Shop des Visitors Center. Die Reiserin hatte sich am Morgen beschwert, dass ihr die ganzen Canyon bei aller Schönheit allmählich öde werden, und sie mal wieder ein Museum oder einen Buchladen bräuchte. Als sie von ihrer Brückenüberquerung mit gepflegter Seele und innerem Frieden wiederkommt, überrascht HerrBert sie mit einem Buch, in dem ein lokaler Dichter in Reimen sein Leben in der Wildnis dieser Region verarbeitet. Die Reiserin ist außer sich vor Freude, denn sie liebt Cowboy Poetry.

Auch das Pferd scheint außer sich vor Freude: am Eingang des Little Hollywood Museums in Kanab

Weiter geht die Fahrt in die kleine Stadt Kanab. Auch da zaubert HerrBert eine Überraschung für die kulturdurstige Reiserin aus dem Hut: Es gibt hier nämlich ein „Little Hollywood Museum“, das sich der Geschichte dieser Region als Drehort für Westerfilme widmen soll. Als wir ankommen, strahlt die Sonne tatsächlich im Breitbildformat und Tiefenschärfe auf die roten Cowboyfelsen. Wir betreten das Museum, müssen dafür aber erstmal den ausufernden Gift Shop durchqueren. Frau Reiserin erwirbt eine Kette mit Glas- und Holzperlchen, die sie in alter Navajo-Tradition angeblich vor bösen Geistern schützen soll. Das kann auf keinen Fall schaden.

Alles nur Kulisse

Das Museum entpuppt sich dann als eine bezaubernde, kleine Western-Kulissenstadt im Garten des Gebäudes. Einzelne davon wurden für eher unbedeutende Produktionen benutzt, dazwischen stehen Requisiten wie alte Kutschen, verrostete Metallgerätschaften und Stühle. Sehr schön.

Jetzt bekam der Straßenbär, nein, der HerrBert aber langsam Stalldrang. Noch rasch in knapp 2 Stunden über den Pass mit dem Kaibab National Forest nach Utah gerauscht und erstaunt festgestellt, dass sich die Landschaft total ändert: keine roten, kahlen Berge mehr, sondern grünes, dicht bewachsenes Gebirge. „Sieht fast aus wie in der Schweiz“, meinte die Reiserin. „Ist vielleicht wegen der Mormonen“, meinte HerrBert. Auffallend war, dass entlang dieser Strecke fast nur prachtvolle Häuser mit mehreren Autos, Booten und Pferden davor zu sehen waren, manchmal auch Ranches, die aussahen, als seien sie seit Generationen im Besitz wohlhabender Familien. Alles war grün, riesige Bewässerungsanlagen in vollem Betrieb.

Tunnel im Bryce Canyon NP

Nach einer Fahrt im Abendlicht erreichen wir unsere heutige Unterkunft: das Ruby`s Inn im Bryce Canyon National Park. Routiniert weist uns eine Angestellte unseren Stellplatz zu, informiert freundlich, dass die Nachttemperatur heute unter Null fallen wird und schon fängt es an zu regnen… Zeit, auch die Heizung des Straßenbären auszuprobieren.


Song des Tages: That leaving Feeling von Stuart A. Staples

Der Sänger der Tindersticks besingt hier auf seinem zweiten Soloalbum von 2006 mit Lhasa de Sela die Schwierigkeiten zwischen Bleiben und Gehen. Reisen ist auch ein ständiges Aufbrechen und Dinge, Orte und Menschen Hintersichlassen.

Was bisher (und danach) geschah: hier