Gelb-rot blühender Kaktus vor grünen Büschen und einem felsigen Berg unter blauem Himmel

Es ist früh am Morgen um kurz nach sieben, als das Handy von HerrBert klingelt und uns aus dem Schlaf reißt. So ist das mit der Zeitverschiebung von 9 Stunden, wenn am Berliner Nachmittag jemand gedenkt, ihn sprechen zu wollen und er das Handy nicht auf leise gestellt hat. Danach des Wiedereinschlafens unfähig, stellt HerrBert mit müden Augen die Kaffeemaschine an. Mit zu viel Wasser für die passende Menge Kaffee in dem viel zu kleinen Filter. Wie soll er das überzählige Wasser aus der Kaffeemaschine befördern? Ach was! Einfach die Kaffeemaschine angestellt, wird schon gehen. Was zur Folge hat, dass das aufgequollene Kaffeepulver den Auslass verstopft und der Kaffee überall hin fließt, nur nicht in die Kaffeekanne.

Aber nicht nur das geht schief. HerrBert ist geplagt von den vielen Planungsvarianten der nächsten Tage. Sollte man zur Devil’s Bridge – aber wie kommt man dahin? Mit dem Wohnmobil schon mal gar nicht. Zuviel Aufwand, es von seinem Stellplatz abzukoppeln und herauszumanövrieren, unklar, ob man es dort, wo wir hinwollen, parken kann. Also lieber zum halbstündig entfernten Besucherzentrum von Sedona laufen und von dort starten? Oder doch lieber zur Kapelle zum heiligen Kreuz?

Fragen über Fragen verdrießen HerrBert, weil alles irgendwie nicht zu passen scheint. Als dann doch endlich der Kaffee im Becher dampft, genießen wir beide die zarten Sonnenstrahlen, die durch die Bäume die kleine Terrasse, die zu unserem Stellplatz gehört, erwärmen.

Kakteen weisen uns den Weg

HerrBert erklärt der Frau Reiserin sein Leid, sie hört geduldig zu, und nach einem einfachen Frühstück wird gemeinsam beschlossen, allen To Dos für Sedona eine Abfuhr zu erteilen. Auf dem Infoblatt unseres RV-Parks, wie die Campingplätze nur für Wohnmobile hier heißen, steht, dass ein Wanderweg nicht unweit von hier beginnt, mit „Ausblicken zum Sterben schön“ und dem Namen „Huckaby Trail“. Kakteen weisen uns den Weg, und schon nach wenigen Schritten sind wir in der Natur. Rote Erde, grüne Sträucher und Bäume, blühende Blumen und Kakteen scheinen nur auf uns gewartet zu haben. Zwischendurch dann auch immer diese zum Sterben schönen Ausblicke, mal auf rote Felsformationen, mal auf die unauffällig in die Landschaft gebaute Stadt bieten.

So sieht es in Arizona aus

Die Hitze ist Mitte Mai noch nicht erdrückend. Trotzdem bringt sie uns auf diesem Wanderweg, ausgewiesen als „für Fortgeschrittene“, ins Schwitzen. Zu unserer Überraschung und auch Freude treffen wir auf diesem Wanderweg so nahe an der Stadt kaum auf andere Menschen. Nach den Massen vom Grand Canyon ist das wohltuend. Nach ungefähr der Hälfte des Weges – knapp 2 Stunden dauert er – lädt uns eine Bank zum Verweilen ein. Wir genießen unser mitgenommenes Wasser und Mandarinen sowie den unbeschreiblichen Ausblick auf die Stadt mit den dahinter liegenden Felsformationen. Weiter wandernd, kommt dann bald das Rauschen des Oak Creeks dazu, wie der Fluss hier heißt. Und dann zeigt sich in der Ferne das Ziel unserer Wanderung, die Midgley Bridge.

Das Ziel unserer Wanderung: die Midgley Bridge

Aber davor müssen wir noch den Fluss überqueren, und zwar ohne Brücke, wie wir feststellen, als wir direkt davor stehen. Es liegen lediglich ein paar dicke Felsbrocken sowie ein abgestorbener Baum im Wasser. Die Reiserin bleibt erstaunlicherweise ruhig. „Das schlimmste, was passieren kann, ist, dass wir nasse Füsse kriegen.“ Sie hat recht, der Fluss ist nicht tief. Trotzdem fürchtet sie um HerrBerts Handy und wir verstauen es zu ihrer Beruhigung in allen verfügbaren Plastiktüten, die wir mit uns führen. Ungerührt und sicher wie die Köpenicker Bergziege, die er offenbar im Innern ist, stiefelt HerrBert über den Fluss. Aber auch die Reiserin schafft es trockenen Fußes ans andere Ufer: Anmutig balancierend wie damals in der Ballettschule, gelingt ihr die Flussüberquerung. Komisch nur, als wir die Handys rausholen, wähnt uns das Navi immer noch auf der anderen Seite des Flusses. Achselzuckend setzten wir unseren Weg fort, bis wir ein paar Minuten später an die zweite Flussüberquerung kommen. Ups, nirgendwo war zu sehen, dass der Fluss hier in zwei Armen verläuft. Diese Flussquerung gleicht der vorherigen, nur ohne Baumstamm, und nach einmal tiefem Luftholen stellen wir uns erfolgreich auch dieser unerwarteten Herausforderung. Dann geht der Weg vom Fluß in einigen wenigen Kurven hoch zur Brücke.

Die Köpenicker Bergziege

Inzwischen japsen wir ganz schön und gucken zurück auf die Strecke, die wir gekommen sind: Steil verlief sie an der Kante eines der spektakulären roten Felsen, die die ganze Stadt umgeben. Wir sind mitten in dieser Winnetou-Landschaft gewandert. Diese Erkenntnis versöhnt HerrBert mit seiner anfänglichen Furcht, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten dieser Gegend zu verpassen, weil mit dem Straßenbär alles so schwierig umzusetzen ist. Es bleibt nur ein kleines Problem. Wie kommen wir vom Brückenkopf der Midgley-Brücke, wo unser Wanderweg endete, wieder zurück? Im 21. Jahrhundert gibt es dafür nur eine Methode. Nach kurzem Herumdaddeln am Handy haben wir einen Fahrer bestellt, der uns die 5 Kilometer zu unserer temporären Homebase fährt. Ein gemütlicher Local, der erwähnt, dass er die Fahrt „eigentlich gar nicht mehr annehmen wollte“, was bedeutet hätte, dass wir noch länger da gestanden hätten, und gleichzeitig sein Trinkgeld deutlich erhöht. Auf den letzten Metern warnt er und noch gutgelaunt von den Havelinas – den wilden Nabelschweinen – die, wenn wir ihm glauben dürfen, direkt nach Anbruch der Dunkelheit nur darauf warten, Fußgänger anzufallen und zu piesacken.

Den Rest des Tages verbringen wird damit, uns gegenseitig zu versichern, dass das die richtige Entscheidung war – und dass man nicht alles unternehmen muss, was man irgendwann mal auf seinen Plan geschrieben hat. Morgen geht es weiter nach Page und vielleicht durchs Monument Valley, wie man es aus „Forest Gump“ kennt. Genaues weiß man noch nicht.

Kleiner grüner Kaktus

Song des Tages: Sedona von Sir Chloe

Die amerikanische Indierockband Sir Chloe mit ihrer charismatischen Frontfau Dana Foote sangen 2020 eine Ode an Sedona. „Wenn ich Dich ansehe und keine Luft mehr bekomme Sedona, Arizona“ heisst es in ihrem Song.

Was bisher (und danach) geschah: hier